Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem technischen Betriebsleiter einer GmbH, der als Gesellschafter mit 50 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist der als technischer Betriebsleiter der GmbH Tätige mit 50 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt, in deren Betrieb eingegliedert und der Gesellschafterversammlung sowie dem Geschäftsführer der GmbH gegenüber weisungsgebunden, bezieht er ein vereinbartes festes monatliches Gehalt und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 67.613,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine von der Beklagten geltend gemachte Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 03.11.1993 gegründet und im Juli 1994 ins Handelsregister eingetragen, nachdem der Betrieb zuvor vom Vater der alleinigen Geschäftsführerin BT sowie der Beigeladenen zu 4) (im Folgenden Beigeladene) in anderer Rechtsform geführt wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Verformung von Metallwaren und Kunststoffen, insbesondere durch moderne Zerspanungstechnik sowie der Handel mit Werkzeugen und Werkzeugmaschinen. Beide Schwestern absolvierten im Betrieb eine Dreher-Ausbildung und sollten nach dem Willen ihres Vaters den Betrieb fortführen. Ursprünglich hielt die Beigeladene mit einem Anteil von 5000 DM 10% der Gesellschaftsanteile und Industriemeister XS als damaliger Geschäftsführer einen Gesellschaftsanteil von 45.000 DM (90 %). Am 11.05.1994 wurden die Gesellschaftsanteile des Herrn S an die beiden Geschwister übertragen, so dass beide seit diesem Zeitpunkt über je 50 % der Anteile verfügen.
Im Gesellschaftsvertrag in seiner durch die Änderung vom 17.10.2000 erfolgten Fassung heißt es insbesondere:
§ 5 Geschäftsführung und Vertretung
1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. ( )
3. Bestellung und Widerruf der Bestellung der Geschäftsführer erfolgen ausschließlich durch die Gesellschafterversammlung.
4. Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich.
5. Die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer bestimmen sich im Übrigen nach dem Gesetz, den mit ihnen abzuschließen Dienstvertrag und den von der Gesellschafterversammlung gegebenen Anweisungen.
6. Die Gesellschafterversammlung kann die Zustimmung zu den Geschäften, die über den üblichen Betrieb hinausgehen, nicht nur für einen Einzelfall, sondern allgemein für einen bestimmten Zeitraum und auch gegenüber bestimmten Personen erteilen. Sie kann den Umfang der zustimmungsbedürftigen Geschäfte erweitern oder beschränken.
§ 8 Gesellschafterversammlung, Beschlüsse
1. Die Gesellschafterbeschlüsse sind in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig und kommen mit einfacher Mehrheit zustanden, soweit das Gesetz zwingend keine größere Mehrheit verlangt oder in diesem Vertrag nichts Abweichendes bestimmt ist. ( )"
Im zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 30.12.1994 sind u.a. folgende Regelungen getroffen worden:
"§ 1 Beginn und Art der Beschäftigung
Der Arbeitnehmer wird ab 01.Janauar 1995 als Dreherin eingestellt.
§ 2 Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden in der Woche. Sie richtet sich nach dem Tarifvertrag und den betrieblichen Regelungen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen des gesetzlich zulässigen Umfangs auch verpflichtet, Überstunden zu leisten, soweit es die Verhältnisse des Betriebes erfordern.
§ 3 Arbeitsvergütung
Der Arbeitnehmer erhält ein Bruttogehalt von DM 3500,- monatlich, zahlbar am letzten Werktag jeden Kalendermonats. Die Vergütung der Überstunden erfolgt aufgrund der jeweiligen betrieblichen Bestimmungen.
Der Arbeitnehmer erhält weiterhin ein Urlaubsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes zahlbar bei Urlaubsbeginn sowie ein Weihnachtsgeld ebe...