Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Kostenübernahme für Empfängnisverhütung bei geistig behinderten Menschen. Sicherstellung der Verhütung einer Schwangerschaft. selbstbestimmtes Sexualleben
Orientierungssatz
Auch wenn die Übernahme der Kosten für die Einsetzung eines Verhütungsstäbchens Implanon bei einer geistig Behinderten, die das 20. Lebensjahr bereits vollendet hat und bei der keine medizinische Indikation für die Verordnung der empfängnisverhütenden Mittel gegeben ist, nach § 49 SGB 12 iVm § 52 SGB 12 ausscheidet, so können die Kosten aber im Rahmen der Eingliederungshilfe als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft übernommen werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2009 verurteilt, der Klägerin den Betrag in Höhe von 318,81 EUR zu erstatten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Kosten für ein Verhütungsmittel (Implanon).
Bei der 1974 geborenen Klägerin liegt eine geistige Behinderung vor. Sie ist schwerbehindert im Sinne des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. In ihrem Schwerbehindertenausweis sind die Merkzeichen G, H und RF eingetragen. Für die Klägerin besteht eine gesetzliche Betreuung. Sie ist gesetzlich krankenversichert bei der Beigeladenen. Die Klägerin ist verheiratet mit …, ebenfalls geistig behindert (GdB 80 und Merkzeichen G und H), für ihn besteht ebenfalls eine Betreuung. Die Eheleute arbeiten in einer Werkstatt für behinderte Menschen und beziehen von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch -Sozialhilfe- (SGB XII). Aus der Ehe ist das am 29.7.2008 geborene Kind hervorgegangen. Für die Klägerin besteht derzeit Elternzeit. Nach einem aktenkundigen Vermerk des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) vom 15.9.2008 wird die Pflege des Kindes durch die Familie der Klägerin und ihres Ehemannes, überwiegend durch das Ehepaar … sichergestellt, da der Klägerin bzw. ihrem Ehemann nicht klar bzw. bewusst sei, wann und ob ihr Kind der Pflege und Zuwendung bedürfe.
Mit Schreiben vom 27.2.2009 beantragte der Betreuer der Klägerin die Übernahme von Kosten für das Einsetzen eines Verhütungsstäbchens bei der Klägerin zwecks Empfängnisverhütung.
Mit Bescheid vom 13.3.2009 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Einsetzen des Verhütungsstäbchens ab. Leistungen des Sozialhilfeträgers könnten nur im Rahmen erbracht werden wie dies durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgen könne. Die Klägerin sei Mitglied bei der Beigeladenen, die als vorrangiger Leistungsträger zuständig sei. Sofern die Beigeladene keine Kosten übernehme, könne der Sozialhilfeträger aufgrund der Regelungen des §§ 48, 52 SGB XII nicht anstelle der Krankenkasse die gewünschte Leistung erbringen.
Die Klägerin reichte die Privatliquidation der Frauenarztpraxis vom 27.2.2009 zu den Verwaltungsakten, wonach für das Einsetzen des Hormonstäbchens (Implanon) ein Rechnungsbetrag in Höhe von 120,- Euro anfiel. Des weiteren reichte die Klägerin eine Quittung der Apotheke vom 27.2.2009 über den Erwerb eines Hormonstäbchens Implanon zum Preis von 198,81 Euro zu den Verwaltungsakten.
Der Betreuer der Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 13.3.2009 Widerspruch. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ein Kind zu betreuen und zu erziehen. Zur Verhütung einer erneuten Schwangerschaft sei das Hormonstäbchen eingesetzt worden. Der Betreuer legte das Attest von Frau Dr. , Frauenarztpraxis vom 22.6.2009 vor. Hierin ist ausgeführt worden, aus bekannten Gründen sei bei der Klägerin eine sichere Verhütung erforderlich. Bei Zustand nach Kaiserschnittentbindung sei die Einlage einer Spirale traumatisierend. Eine regelmäßige Einnahme der Antibabypille sei bei der Klägerin nicht gewährleistet. Daher sei das Legen des Implantates (Implanon) wegen der hohen Sicherheit nötig gewesen. Des weiteren reichte der Betreuer das Schreiben der Beigeladenen vom 22.6.2009 zu den Verwaltungsakten. Darin lehnte die Beigeladene die Übernahme der Kosten für das Verhütungsmittel ab. Kosten eines Verhütungsmittels könnten nur bis zur Vollendung des 20.Lebensjahres von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Die Klägerin sei bereits 35 Jahre und habe daher keinen Anspruch mehr auf Kostenübernahme für ein Verhütungsmittel.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte begründend aus, zuständiger Sozialleistungsträger sei die Krankenkasse, es sei das Nachrangprinzip zu beachten, so dass eine Kostenübernahme auch nicht nach § 49 SGB XII möglich sei. Selbst bei Annahme eines Anspruchs nach § 48 SGB XII (Krankenhilfe) oder § 49 SGB XII (Familienplanung) bestehe nach § 52 SGB XII hinsichtlich der Leistungserbringung die Regelung, dass die Hil...