Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Kapitalanteil in Höhe von 50 %. Stichentscheids-Klausel bei Stimmengleichheit in der Gesellschafterversammlung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der 50 vH der Anteile am Stammkapital hält, ist ausnahmsweise dann nicht selbstständig, wenn dem anderen Gesellschafter bei Stimmengleichheit (Pattsituation) das Recht zusteht, im Wege eines Stichentscheides eine Entscheidung in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.

§§ 7, 28p Abs 1 S 5 SGB IV

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

III. Der Streitwert wird auf EUR 77.487,23 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer sozialrechtlichen Betriebsprüfung über die Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen 2), Herrn F., aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2018 bis 31.05.2022.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), mit dem Unternehmenszweck Betrieb eines Baugeschäftes zur Durchführung aller im Baugewerbe anfallenden Lieferungen und Leistungen wurde mit notariellen Gesellschaftsvertrag (GV) vom 14.05.1992 gegründet und am 10.06.1992 in das Handelsregister eingetragen.

Nach § 3 GV beträgt das Stammkapital der Gesellschaft 52.000 €, wobei sich das Stammkapital im Zeitraum 01.01.2018 bis 31.05.2022 in folgende zwei Stammeinlagen gliedert (vgl. Gesellschafterliste der Z. Bau GmbH vom 24.05.2013, URNr. 0000 ):

Gesellschafter

Wohnsitz

Nennbetrag des Anteils

Anteilsnummer

Z.,

geb. 1960

 A-Stadt

A.-Str. 4

 26.000 €

1       

 F.,   

geb. 1982

 A-Stadt

C.-Str. 13

26.000 €

2       

Summe 52.000 €

Bis zum Frühjahr 2013 hielt Herr Z. 100 % der Gesellschaftsanteile. Aufgrund Schenkung vom 18.04.2013 wurde der Beigeladene zu 2) mit 50 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt. Bereits mit Wirkung zum 22.12.2011 wurde der Beigeladene zu 2) zusammen mit seinem Vater, Herrn Z., zum vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. In § 1 Abs. 1 des - undatierten - Geschäftsführeranstellungsvertrages wurde geregelt, dass der Beigeladene zu 2) Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen hat. Im GV vom 16.07.2013 wurde in § 6 "Gesellschafterbeschlüsse" dazu folgende Regelung getroffen:

§ 6 Gesellschafterbeschlüsse

1. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Dies gilt nicht, soweit das Gesetz zwingend oder dieser Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

2. Solange Herr Z. Gesellschafter der Gesellschaft ist, steht ihm als nicht übertragbares nicht vererbliches gesellschaftsrechtliches Sonderrecht bei Beschlussfassungen, die gemäß Satz 1 mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen sind, das Recht zu, bei Stimmengleichheit ("Pattsituation") mit seinem Stimmrecht im Wege eines Stichentscheides eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.

Flankierend dazu enthält § 4 GV zur Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft folgende Regelung:

§ 4 Vertretung, Geschäftsführung

...Nr. 3 mehrere Geschäftsführer fassen ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit nach Köpfen. Im Fall der Stimmengleichheit steht dem jeweils dienstältesten Geschäftsführer der Stichentscheid zu.

Nach durchgeführter sozialrechtlicher Betriebsprüfung am 09.05.2022 und anschließender Anhörung der Klägerin, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2022 fest, dass für den Beigeladenen zu 2) für den Zeitraum 01.01.2018 bis 31.05.2022 ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ferner wurden mit gleichen Bescheid von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge, die Umlage U2 und die Insolvenzgeldumlage in Höhe von insgesamt 77.487,23 € nachgefordert. Begründet wurde dies damit, dass dem Beigeladenen zu 2) eine vollumfängliche, alle Angelegenheiten der Gesellschaft betreffende Sperrminorität bzw. Verhinderungsmacht nicht zugestanden habe. Beschlüsse des weiteren Gesellschafter-Geschäftsführers hätten wegen der Stichentscheids-Klausel nicht verhindert werden können. Somit könne der Beigeladene zu 2) keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Darüber hinaus wurde ein Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 06.09.2022 incl. Satzungsänderung vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass der letzte Satz von § 4 Abs. 3 sowie § 6 Nr. 2 der Satzung (Gesellschafterbeschlüsse) ersatzlos entfallen sei. Vorliegend sei aus Sicht der Klägerin zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 2) kein Minderheiten-Gesellschafter-Geschäftsführer sei. Er verfüge über eine Beteiligung am Stammkapital von 50 %. Bei einer Beteiligung von 50 %...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge