Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Krankengeldzahlung. einmalige oder laufende Einnahme. Begriff der "Nachzahlung". Auszahlungszeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

Krankengeld ist jedenfalls keine Nachzahlung nach § 11 Abs 3 SGB II, wenn es für den aktuellen oder den vorherigen Monat erbracht wird.

 

Tenor

I. Die Bescheide vom 24.11.2021 und 27.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2022 werden abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, die wegen des Beschlusses der Kammer vom 17.01.2022 gewährten Zahlungen dem Kläger endgültig zu gewähren. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum November 2021 bis April 2022 weitere 857,24 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger 6/7 der notwendigen außergerichtlichen

Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Oktober 2021 bis April 2022. Streitig ist, ob das dem Kläger am 06.10.2021 für die Zeit vom 24.08. bis 01.10.2021 gezahlte Krankengeld überhaupt, als laufende Einnahme oder als einmalige Einnahme (verteilt auf sechs Monate) zu berücksichtigen ist.

Der im Jahr 1982 geborene Kläger wohnte in den Jahren 2021 und 2022 kostenfrei in der Wohnung seiner Mutter.

Er bezog (zumindest ab 14.07.2021) von seiner Krankenkasse Krankengeld wie folgt:

Überweisungsdatum

Arbeitsunfähigkeitszeitraum

Höhe   

05.08.2021

14.07.2021 - 03.08.2021

1.186 EUR

26.08.2021

04.08.2021 - 23.08.2021

1.186 EUR

06.10.2021

24.08.2021 - 01.10.2021

2.253,40 EUR

11.10.2021

02.10.2021 - 08.10.2021

415,10 EUR

Das Krankengeld betrug 59,30 EUR täglich.

Am 25.10.2021 beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Unter Anrechnung des Krankengeldes bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 24.11.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum Oktober 2021 in Höhe von 43,37 EUR und für den Zeitraum November 2021 bis April 2022 in Höhe von 152,39 EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 27.11.2021 wurden die Leistungen für Januar 2022 bis April 2022 auf 155,39 EUR erhöht.

Bei der Berechnung der Leistungen legte der Beklagte den Regelbedarf für Alleinstehende zugrunde. Als einziges Einkommen rechnete er das Krankengeld für Oktober 2021 in Höhe von (bereinigt) 402,63 EUR und für die übrigen (streitgegenständlichen) Monate in Höhe von bereinigt 293,61 EUR an.

Gegen den Bescheid vom 24.11.2021 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.11.2021 ließ der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 22.12.2021 Widerspruch einlegen. Das nachgezahlte Krankengeld sei Vermögen und kein Einkommen. Wenn es Einkommen sei, dann sei es laufendes Einkommen.

In Ausführung eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 11 AS 528/21 ER zahlte der Beklagte dem Kläger für Dezember 2021 weitere 23,59 EUR und für die Monate Januar bis März 2022 weitere 293,61 EUR monatlich.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 03.03.2022 als unbegründet zurückgewiesen. Wie auch das Bayerische Landessozialgericht bestätigt habe, handele es sich zu einem erheblichen Teil um eine Krankengeldnachzahlung, die auf sechs Monate zu verteilen sei.

Mit Schreiben vom 01.04.2022 hat sich der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, an das Sozialgericht Landshut gewandt.

Nach Anhörungen vom 07.03.2022 und 09.03.2022 forderte der Beklagte mit Bescheid vom 12.04.2022 die aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzes gezahlten 904,42 EUR vom Kläger zurück. Dieser Bescheid sei Gegenstand des Klageverfahrens.

Mit der Klagebegründung vom 25.07.2023 wendet sich der Kläger zunächst gegen den Erstattungsbescheid vom 12.04.2022. Für eine Rücknahme fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage.

Das Gericht hat den Rechtsstreit betreffend den Bescheid vom 12.04.2022 abgetrennt. Das neue Aktenzeichen lautet S 11 AS 39/24. Das Verfahren ist zum Ruhen gebracht worden.

Hinsichtlich des Krankengeldes hält der Kläger daran fest, dass es sich um Vermögen handele. Der Anspruch habe bereits vor dem 01.10.2021 bestanden. Sollte es dennoch als Einkommen zu werten sein, handele es sich um laufendes Einkommen. Das Bayerische Landessozialgericht verkenne, dass das Krankengeld nicht "als Nachzahlung" erbracht worden sei. Dieses Tatbestandsmerkmal hätte sonst keinen Sinn. Hier liege ein Fall der turnusmäßigen Zahlung vor. Schließlich müsse beachtet werden, dass das Einkommen bereits verbraucht worden sei.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Bescheide vom 24.11.2021 und 27.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2022 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, die wegen des Beschlusses der Kammer vom 17.01.2022 gewährten Zahlungen dem Kläger endgültig zu gewähren und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum Oktober 2021...

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