Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit der Anrechnung überzahlter Grundsicherungsleistungen auf den Leistungsanspruch in einem anderen Monat des Bewilligungszeitraums
Orientierungssatz
Hat im Verlauf eines Bewilligungszeitraums für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in einem Monat eine Überzahlung von Grundsicherungsleistungen stattgefunden, so kann dies bei endgültig festgesetzten Leistungen nicht durch die Auszahlung geringerer Leistungen in einem anderen Monat ausgeglichen werden. Vielmehr muss in jedem Monat der im Leistungsbescheid ermittelte Hilfebetrag auch tatsächlich zur Verfügung stehen.
Tenor
I. Der Bescheid vom 27.08.2020 wird abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) für Mai bis Juli 2019
weitere 494,43 EUR und an die Klägerin zu 2) für Mai bis Juli 2019 weitere 110,00 EUR zu zahlen.
II. Der Beklagte hat den Klägerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der für den Zeitraum Februar bis September 2019 zu bewilligenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) umstritten.
Die 1995 geborene Klägerin zu 1) ist die alleinerziehende Mutter der am 21.01.2016 geborenen Tochter, (Klägerin zu 2)). Die Klägerinnen bezogen 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Beklagten.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2018 hin bewilligte der Beklagte den Klägerinnen mit Bescheid vom 10.01.2019 für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.01.2020 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Hiergegen legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 18.01.2019 Widerspruch ein. Wegen einer für die Klägerin zu 2) bestehenden privaten Haftpflicht- sowie Unfallversicherung seien auch vom Einkommen des Kindes die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR abzuziehen.
Zum 18.03.2019 nahm die Klägerin zu 1) eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma K... auf.
Aus diesem Grund hob der Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 19.03.2019 auf und bewilligte mit Bescheid vom gleichen Tag für die Zeit vom 01.04.2019 bis 30.09.2019 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierbei rechnet er für den Monat April 2019 ein Einkommen in Höhe von 212,00 Euro brutto/netto und ab Mai 2019 ein Erwerbseinkommen in Höhe von 450,00 Euro brutto/netto an.
Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber am 25.03.2019 zum 29.03.2019 wieder gekündigt.
Zum 01.04.2019 nahm die Klägerin zu 1) eine neue Beschäftigung als Verkäuferin bei der Firma H & S Handels GmbH auf.
Der Widerspruch der Klägerinnen wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29.04.2019 als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte erließ am 16.05.2019 einen weiteren vorläufigen Änderungsbescheid betreffend die Zeit vom 01.05.2019 bis 30.09.2019. Es wurde das Einkommen bei der Firma
H & S für den Monat April 2019 (Zufluss Mai 2019) sowie das im Mai 2019 zugeflossene Krankengeld berücksichtigt. Ab Juni 2019 wurde ein prognostiziertes Erwerbseinkommen zugrunde gelegt.
Das Arbeitsverhältnis als Verkäuferin wurde durch den Arbeitgeber am 23.05.2019 zum 07.06.2019 gekündigt.
Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 01.08.2019 wurden die Leistungen für die Monate August 2019 und September 2019 neu errechnet und das Erwerbseinkommen aus der Berechnung herausgenommen.
Mit den Bescheiden vom 24.10.2019 und 27.08.2020 entschied der Beklagte endgültig über den Zeitraum April bis September 2019 und erkannte zuletzt an, dass die Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR auch vom Einkommen der Klägerin zu 2) abzuziehen ist. Ein Durchschnittseinkommen bildete er nicht. Die Klägerin zu 1) erhielt:
Die Klägerin zu 2) erhielt:
Die mtl. Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerinnen betrugen insgesamt 514,16 EUR. Im Zeitraum April bis September 2019 war das durchschnittliche Einkommen:
Der Klägerin zu 1) aus Erwerbstätigkeit: 311,49 EUR brutto und 249,42 EUR netto. Das Krankengeld betrug mtl. 17,58 EUR.
Der Klägerin zu 2): Kindergeld iHv mtl. 199,00 EUR und der Unterhaltsvorschuss iHv mtl. 153,33 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 27.08.2020 gewährte der Beklagte den Klägerinnen höhere Leistungen für den Zeitraum Februar und März 2019 und berücksichtigte ebenfalls die 30,00 EUR Pauschale beim Einkommen der Klägerin zu 2).
Bereits mit Klage vom 29.05.2019 haben sich die Klägerinnen, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Das Einkommen der Klägerinnen sei unzutreffend berücksichtigt worden.
Die Klägerinnen beantragen zuletzt,
den Bescheid vom 27.08.2020 für den Zeitraum Mai bis Juli 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) weitere 494,43 Euro und an die Klägerin zu 2) weitere 110,00 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar sei ein Durchschnittseinkommen zu bilden. Es müssten in diesem Fall jedoch die Über- und Nachzahlungen...