Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Unzulässigkeit einer Minderung in Höhe von 60 %. Fehlen einer Rechtsfolgenbelehrung wegen wiederholter Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
Die Sanktion einer wiederholten Pflichtverletzung iS des § 31 SGB 2 ist nur bei vollständiger Belehrung über die Folgen der wiederholten Pflichtverletzung rechtmäßig. Bei Belehrung bloß über die Folgen einer einfachen Pflichtverletzung kann die Sanktion allein nach deren Folgen verhängt werden.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Verfahren 17 AS 2259/12 gegen den Bescheid vom 16.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2012 wird insoweit angeordnet, als die Leistungen der Grundsicherung für den Antragsteller um mehr als 30 % gekürzt wurden.
2. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller für die Zeit vom 01.05.2012 bis 31.07.2012 weitere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 336,60 € zu gewähren.
3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
4. Der Antragsgegner hat die Hälfte der notwendigen Auslagen des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendete sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Minderung des ihm bewilligten Arbeitslosengelds II nach § 31 a Abs. 1 S. 2 SGB II.
Der 1980 geborene, erwerbsfähige Antragsteller steht seit 2004 im Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II beim Antragsgegner. Er verfügt derzeit über kein Einkommen. Mit Bescheid vom 10.05.2006 (Bl. 397 ff. der Leistungsakte) bewilligte der Antragsgegner ihm für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2012 weiterhin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II, wobei er vom 01.06.2012 bis 31.07.2012 einen “Minderungsbetrag aufgrund von Sanktionen„ in Höhe von monatlich 224,- € berücksichtigte. Zu den Einzelheiten wird auf den Leistungsbescheid verwiesen. Der Antragsgegner hatte mit Bescheid vom 16.04.2012 eine Minderung des Arbeitslosengelds II des Antragstellers um monatlich 60 % des maßgebenden Regelbedarfs, mithin in Höhe von 224,40 € verfügt (nach Korrektur der Paginierung Bl. 387 der Leistungsakte). Als Begründung ist dem Bescheid zu entnehmen, dem Antragsteller sei am 07.03.2012 eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nach § 16 d SGB II angeboten worden, er habe sich nicht gemeldet bzw. beworben. Darin liege eine wiederholte Pflichtverletzung. Das Schreiben des Antragsgegners vom 07.03.2012 (Bl. 23 d. A...) war dem Antragsteller zugegangen und lautet auszugsweise: “[Betreff] Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (Zusatzjob) gemäß § 16 d […] SGB II. Sehr geehrter Herr A..., im Rahmen einer öffentlich geförderten Beschäftigung schlage ich Ihnen folgende zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeit vor: Bezeichnung der Tätigkeit: Helfer/in - Gartenbau […] Träger der Maßnahme: Herr [… Anschrift, Telefon]. Bitte setzen Sie sich umgehend mit dem Träger der Maßnahme in Verbindung. Wenden Sie sich bei dem oben genannten Träger bitte an: Herr […]. Bitte beachten Sie die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung. Mit freundlichen Grüßen […]„. Zum vollständigen Inhalt und den Wortlaut der nach der Grußformel eingerahmt abgedruckten Rechtsfolgenbelehrung wird auf Bl. 24 d. A... verwiesen. Insbesondere heißt es dort: “[…] Wenn Sie sich weigern, die Ihnen mit diesem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeitsgelegenheit aufzunehmen […], wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent des für Sie maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert. […]„. Am 02.05.2012 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 16.04.2012 Widerspruch ein (nach Korrektur Bl. 300 der Leistungsakte) und teilte begründend wie bereits im Rahmen seiner Anhörung am 03.04.2012 (Bl. 386 der Verwaltungsakte) mit, er habe den Termin zur Vorstellung beim Maßnahmeträger wegen Krankheit schuldlos nicht wahrnehmen können und dies dort telefonisch mitgeteilt. Auf Bl. 376 und 377 der Verwaltungsakte finden sich ärztliche Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen für den Antragsteller für die Zeit vom 05.03. bis 09.03.2012 und für die Zeit vom 20.03.2012 bis 03.04.2012. Es handelt sich jeweils um Erstbescheinigungen. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2012, auf dessen Inhalt verwiesen wird, als unbegründet zurück (Bl. 3 ff. d. A...). Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Leipzig erhoben (Az. 17 AS 2259/12).
Mit seinem am 05.07.2012 beim Sozialgericht Leipzig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beantragt der Antragsteller unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Verfahren 17 AS 2259/12 gegen den Bescheid vom 16.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2012 und die Aufhebung seiner Vollziehung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner macht unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Widerspru...