Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Vorwegnahme der Hauptsache. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Studium. Kostenbewilligung für Arbeitgebermodell

 

Leitsatz (amtlich)

Die Überschreitung des persönlichen Budgets im Rahmen des sog. "Arbeitgeber-Modells" ist im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann hinreichend wahrscheinlich, wenn ein hinreichend konkretisiertes Konzept zur Sicherstellung der Pflege vorgelegt wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gebotenen geringeren Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches in existenziell wichtigen Fragen.

 

Orientierungssatz

Bei der Entscheidung über die ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache stellt die Verweigerung höherer Mittel für ein persönliches Budget bis zur Entscheidung der Hauptsache keinen unzumutbaren Nachteil dar, der nicht mehr reparabel wäre; eine vorgegriffene Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gem § 86b Abs 2 S 2 SGG ist damit unzulässig.

 

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes über die Höhe einer Assistenz.

Die 21-jährige Antragstellerin bezieht von der Beigeladenen zu 2. Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie ist an einer spinalen Muskelatrophie (SMA) erkrankt. Damit einher geht ein Muskelschwund mit fortschreitendem Rückgang motorischer Nervenzellen. Sie leidet unter einer erheblichen Kraftminderung der Arme und Beinparesen und einer Schwäche der Rücken- und Nackenmuskulatur. Eine Kopfkontrolle ist lediglich sitzend möglich. Ferner besteht bei ihr eine Skoliose. Sie ist versorgt mit einem Rollstuhl und unstreitig bei vielen Verrichtungen des täglichen Lebens auf Grund ihrer schweren Erkrankung und Behinderung hilfebedürftig.

Nachdem sie ihr Abitur abgelegt hatte, beantragte sie am 27.04.2007 bei der Antragsgegnerin Hilfeleistungen, insbesondere persönliche Assistenz, ein persönliches Budget oder Eingliederungshilfe. Sie beabsichtige an der Universität L. Kommunikations- und Medienwissenschaften zu studieren. Das Bachelor-Studium umfasst grundsätzlich 3 Jahre, wegen der erheblichen Behinderung müsse jedoch von einem längeren Studium ausgegangen werden. An das Bachelor-Studium kann sich ein weiteres 2-jähriges Masterstudium anschließen. Wegen der Aus- und Umbauarbeiten der Universität L. finden nach Auskunft des Studentenwerkes der Universität L. Lehrveranstaltungen an ca. 20 Interimsquartieren statt, die nicht in jedem Fall behindertengerecht sind.

Da Abstimmung der verschiedenen Sozialhilfe- und Pflegeleistungsträger erforderlich war, fanden am 20.06.2007, 10.09.2007 und 19.09.2007 Fallkonferenzen unter Einbeziehung der Leistungsberechtigten, des Vaters der Leistungsberechtigten, Vertretern der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1., des Studentenwerks und weiterer Einrichtungen statt.

Am 04.09.2007 erteilte die Universität L. - Dezernat Akademische Verwaltung/Studentensekretariat - die vorläufige Immatrikulationsbescheinigung zum Wintersemester 2007/2008, Dauer des Wintersemesters vom 01.10. bis 31.03.

Der Antragsgegner stellte im Verfahren zur Ermittlung des individuellen Hilfsbedarfs für 57 Studientage im Zeitraum Oktober bis Dezember 2007 einen Bedarf von 8578,50 € fest, ein persönliches Budget von 5171,25 €, Lohnkosten für die Studienassistenz von monatlich 2434,71 € und für die persönliche Assistenz von 9.984,22 €.

Nach dem Protokoll der Fallkonferenz unter dem 10.09.2007 vom 07.09.2007 bot der Antragsgegner ihr die übergangsweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung an falls sich Verzögerungen hinsichtlich der Hilfegewährung bzw. der Organisation ergäben. Dies lehnte die Antragstellerin ebenso ab wie ein anderes Studium oder einen anderen Studiengang. Die Beigeladene zu 1. schlug eine Unterbringung in der Seniorenresidenz Maternus “…„, ..., ... L. vor, das zentral in der Stadt gelegen ist und das die Bereiche Pflege, Unterkunft und Ernährung größtenteils mit abdecken könnte. Auch könnten die Leistungen der Beigeladenen zu 2. in vollem Umfang eingesetzt werden, d.h. bei Pflegestufe III 1432,00 €. Beim Arbeitgebermodell könne lediglich das Pflegegeld von der Pflegekasse gezahlt werden. Das “Arbeitgebermodell„ sei die kostenintensivste Variante. Der Preisunterschied betrage danach ca. 100.000,00 € im Jahr.

Der Antragsgegner prüfte auch verschiedene Wohnvarianten, wobei sich die von der Antragstellerin bevorzugte Variante eines Studentenwohnheims in der ... lediglich aus räumlichen Gründen als geeignet erwies. Laut Protokoll vom 24.09.2007 hat die Antragstellerin den Wunsch nach einer eigenen Wohnung, weshalb sie ein Wohnheim für Behinderte ablehne.

Durch Bescheid vom 25.09.2007 bewilligte der Antragsgegner Teilhabeleistungen in Form einer Träger übergreifenden persönlichen Budget, einen Gesamtbescheid über Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Hilfe zum Besuch einer Hochschule und ergänzende Hilfe zur P...

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