Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 für im Haushalt der Eltern lebende über 25-jährige Leistungsberechtigte. Verfassungsmäßigkeit. Ungleichbehandlung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. sachliche Rechtfertigung. Systemunterschiede

 

Orientierungssatz

1. Die Zuordnung erwachsener leistungsberechtigter Personen, die weder einen eigenen Haushalt führen, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen, zur Regelbedarfsstufe 3 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 GG.

2. Zwischen den Gruppen der unter das Leistungsregime des SGB 2 und der unter das Leistungsregime des SGB 12 fallenden Hilfebedürftigen bestehen Unterschiede. Das Leistungsregime des SGB 2 wendet sich an einen grundsätzlich erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehender Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf und dem daher eine höhere wirtschaftliche Eigenständigkeit zuzubilligen ist.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt.

Der 1982 geborene Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80. Sein Schwerbehindertenausweis ist mit dem Merkzeichen “G„ versehen. Von der sozialen Pflegeversicherung erhält er Leistungen nach der Pflegestufe I. Der Kläger ist in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig und erhält dafür ein monatliches Arbeitsentgelt von 142,40 €. Daneben gewährt ihm die Beklagte Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 485,69 € monatlich (Bescheid vom 22.11.2010 für den Leistungszeitraum 01.12.2010 bis 30.11.2011). Da der Kläger das Mittagessen in der Werkstatt für behinderte Menschen einnehme, sei der Ernährungsbedarf insoweit zu 2/5 des täglichen Bedarfs gedeckt, weshalb eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes geboten sei. Der Regelsatz wurde daher ab 01.12.2010 in Höhe von 327,00 € monatlich festgesetzt. Mit Änderungsbescheid vom 29.04.2011 wurden Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2011 bis 30.11.2011 reduziert. Die Beklagte setzte den Regelbedarf des Klägers auf 291,00 € monatlich fest und kürzte diesen um 32,00 € monatlich wegen der Teilnahme des Klägers an der Mittagsverpflegung in der Werkstatt für behinderte Menschen.

In seinem Widerspruch vom 03.05.2011 führte der Kläger aus, dass die Regelbedarfsstufe 3 verfassungswidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe im Urteil vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) dargestellt, dass die Regelsätze wegen intransparenter Berechnungsmethoden nicht verfassungskonform seien und der Gesetzgeber den tatsächlichen Bedarf realitätsnah zu bemessen habe. Dieses Ziel habe der Gesetzgeber mit der Regelbedarfsstufe 3 und der Kürzung auf 80 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstands nicht erreicht. Außerdem sei es widersprüchlich, den Kläger bezüglich des Abzugs beim Mittagessen in der Werkstatt für behinderte Menschen als Haushaltsvorstand anzusehen.

Der Beklagte hat am 13.07.2011 einen Widerspruchsbescheid erlassen. Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes außerhalb von Einrichtungen, mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie zusätzlicher Bedarfe, erfolge nach sogenannten Regelbedarfen. Nach aktueller gesetzlicher Regelung ab Januar 2011 gelte für Erwachsene Leistungsberechtigte, die weder einen eigenen Haushalt führten noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führten, die Regelbedarfsstufe 3 mit 291,00 € monatlich. Dabei sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass pro Haushalt nur einmal die sogenannten “Generalunkosten„ (Stromzähler, Telefon-, Festnetz-, das Halten einer Tageszeitung sowie allgemeine hauswirtschaftliche Bedarfe, die sich innerhalb der Gemeinschaft nicht klar trennen ließen, anfielen. Daher käme die Gewährung der höheren Regelbedarfsstufe 1 (364,00 € monatlich) und damit die Anerkennung als Haushaltsvorstand an mehr als eine Person pro Haushalt nur in Betracht, sofern nachgewiesen sei, dass die Generalunkosten tatsächlich für jeden Einzelnen gesondert anfielen. Der Kläger habe nicht die Generalunkosten eines Haushaltes zu tragen. Daher sei davon auszugehen, dass er keinen eigenen Haushalt führe. Deshalb sei im Falle des Klägers die Regelbedarfsstufe 3 anzunehmen. Da der Kläger in der Werkstatt für behinderte Menschen ein kostenfreies Mittagessen erhalte, sei der konkrete regelsatzrelevante Bedarf für Ernährung teilweise dadurch gedeckt. Deshalb sei der Regelsatz insoweit zu reduzieren gewesen. Von dem Ernährungsanteil von 129,24 € seien für das Mittagessen 2/5 vorgesehen, sodass sich bei 220 Arbeitstagen rein rechnerisch ...

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