Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatz- und Sonderversorgung im Beitrittsgebiet. tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt. Verpflegungsgeld. Verpflegung. Jahresendprämie
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsentgelte im Sinne des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG sind entsprechend der Definition des § 14 Abs 1 S 1 SGB 4 alle Geld- und geldwerten Sachleistungen, die dem Betreffenden im ursächlichen Zusammenhang mit der versorgungsrechtlich begünstigten abhängigen Beschäftigung, zB aufgrund von Regelungen des jeweiligen Betriebskollektiv- oder Arbeitsvertrags oder aufgrund von Regelungen in einem Befehl, einer Anweisung oder einer Ordnung eines Organs im Bereich der Sonderversorgungsträger, in der Zeit der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Versorgungssystem zuflossen, sofern es sich nicht um zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern bzw Dienstbezügen gewährte Geld- oder geldwerte Sachleistungen handelte, auf die - entsprechend den im Zuflusszeitpunkt geltenden Bestimmungen des Rechts der DDR - keine (Lohn-)Steuer gezahlt wurde (Entgegen BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R = SozR 4-8570 § 6 Nr 4; Fortführung und Klarstellung der von der Kammer für den Bereich der Zusatzversorgungsträger mit Urteil vom 28.7.2010 - S 24 R 1318/08 begründeten Rechtsprechung auch für den Bereich der Sonderversorgungsträger).
2. Das einem Polizisten der Deutschen Volkspolizei gewährte Verpflegungsgeld und der Sachwert der kostenfreien Verpflegung zählen ebenso wenig zu den Arbeitsentgelten im Sinne von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG wie die in der volkseigenen Wirtschaft der DDR gezahlten Jahresendprämien.
Orientierungssatz
Die Kammer stimmt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht darin zu, dass der Begriff des Arbeitsentgelts in § 6 Abs 1 S 1 AAÜG iS einer strikten und statischen gesetzlichen Verweisung auf das gesamte am 1.8.1991 geltende Beitragsrecht auszulegen ist (Entgegen BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R aaO).
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des Verpflegungsgelds und des Sachwerts der Verpflegung als weitere Arbeitsentgelte gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) im Zeitraum seiner Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (nachfolgend: SO-VP) gemäß Nr. 2 der Anlage 2 zu § 1 Abs. 2 AAÜG.
Der am 15. Januar 1941 geborene Kläger war seit 4. November 1958 bei der Deutschen Volkspolizei der DDR tätig, in Anschluss daran im Polizeidienst des Beklagten. Seit dem 4. November 1961 bis 31. Dezember 1991 gehörte er der SO-VP an. Jedenfalls im Zeitraum vom 4. November 1961 bis 31. August 1968 und vom 1. August 1970 bis 31. Dezember 1972 bezog der Kläger als Angehöriger der Deutschen Volkspolizei Verpflegungsgeld. Im Zeitraum vom 1. September 1968 bis 31. Juli 1980 besuchte der Kläger die Offiziersschule in C...., wo ihm kostenlose Verpflegung gewährt und für die Tage der Nichtteilnahme an der Verpflegung Verpflegungsgeld gezahlt wurde.
Mit Bescheid vom 21. Februar 1996 stellte der Beklagte die Zeit vom 4. November 1961 bis 31. Dezember 1991 als Zeit der Zugehörigkeit zur SO-VP sowie die im Zugehörigkeitszeitraum erzielten tatsächlichen Arbeitsentgelte fest. Letztere errechnete der Beklagte, indem er die Dienstbezüge - d. h. die Besoldung ohne Zulagen und Zuschläge sowie ohne die sog. persönlichen Vergütungen (wie das Verpflegungsgeld) - im Wege der Rückrechnung durch Vervielfältigung der Summe der abgeführten Beiträge zur SO-VP mit dem Faktor zehn ermittelte (da der Beitragssatz in der SO-VP zehn Prozent der erzielten Dienstbezüge betrug) und diesem Betrag das durchgängig vom 1. Mai 1962 bis 31. Dezember 1990 gezahlte Wohnungsgeld sowie vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1991 das auf die Monate des Jahres verteilte Weihnachts- und Urlaubsgeld hinzuaddierte.
Der Bescheid vom 21. Februar 1996 enthielt ursprünglich auch Angaben zur Entgeltbegrenzung nach § 6 AAÜG a. F. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und - nach Zurückweisung - Klage zum Sozialgericht Leipzig. Der Rechtsstreit endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben hatte.
Mit Schreiben vom 18. November 2008 beantragte der Kläger die Überprüfung der bisherigen Feststellungen zur Höhe des Arbeitsentgelts unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R. Insbesondere Zuschläge und Abgeltungen, z. B. das Verpflegungsgeld, müssten zusätzlich anerkannt werden.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2009 lehnte der Beklagte die Anerkennung weiterer Entgelte ab. Als Arbeitsentgelt könnten im Rahmen der Sonderversorgungssysteme nur solche Entgeltbestandteile anerkannt werden, die Grundlage für die Beitragsberechnung im Sonderv...