Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Beginn des Rentenverfahrens. deutsch-amerikanisches Abkommensrecht. Antragsgleichstellung. keine Erfüllung der Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 SozSichAbkDVbg USA durch die in den §§ 2 und 3 ZRBG geregelten Fiktionen. keine Zurücklegung der fiktiven Beitragszeit bereits vor dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 1.7.1997
Orientierungssatz
1. § 3 ZRBG enthält schon nach seinem Wortlaut weder in der bis zum 31.7.2017 noch in der seitdem geltenden Fassung Regelungen zum (verwaltungs-)verfahrensrechtlichen Beginn des Rentenverfahrens (vgl BSG vom 30.4.2013 - B 12 R 12/11 R = SozR 4-5075 § 3 Nr 3).
2. Die nachträgliche "Rückbeziehung" des (verwaltungs-)verfahrensrechtlichen Beginns von Rentenverfahren mit ZRBG-Bezug auf den 18.6.1997 ist allein Sache des Gesetzgebers (vgl BSG vom 30.4.2013 - B 12 R 12/11 R aaO).
3. Auch die in den §§ 2 und 3 ZRBG geregelten Fiktionen führen nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 SozSichAbkDVbg USA erfüllt sind, wenn der ursprüngliche Rentenantrag ein mögliche Rentenberechtigung durch Beitragszeiten in dem anderen Vertragsstaat nicht erkennen ließ.
4. Trotz der durch die Beitragsfiktion nach § 2 Abs 1 ZRBG entstandenen, nachträglichen Versicherteneigenschaft reicht die Fiktion dieser Vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive Beitragszeit bereits vor dem (rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG zum 1.7.1997 als zurückgelegt und damit die allgemeine Wartezeit zusammen mit den Verfolgungsersatzzeiten zu diesem Zeitpunkt als erfüllt gilt (Anschluss an SG Lübeck vom 23.4.2013 - S 6 R 353/11 = juris RdNr 26 und vom 24.4.2013 - S 45 R 675/11 = juris RdNr 26, so auch LSG Essen vom 20.12.2013 - L 14 R 739/13 und SG Lübeck vom 20.10.2016 - S 21 R 510/14).
5. Zur Frage, ob ein Antragsteller aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen ist, als ob bei der US-Antragstellung in der Vergangenheit auch ein Antrag auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung gestellt worden wäre (Anschluss an SG Lübeck vom 23.4.2013 - S 6 R 353/11 = juris RdNr 44).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Regelaltersrente für den verstorbenen Ehemann der Klägerin unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), insbesondere darüber, ob ein wirksamer Antrag vorliegt.
Die ... 1929 geborene Klägerin, Staatsangehörige der USA mit dortigem Wohnsitz, ist die Witwe des ... 1922 in Ungarn geborenen, und ... 2009 in den USA verstorbenen S... W... (der Versicherte). Dieser war Jude, wurde als solcher Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und war anerkannter Verfolgter nach § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Während der Verfolgung musste er sich unter anderem vom 16. April bis zum 30. September 1944 zwangsweise in den Ghettos Koeszeg und Budapest aufhalten, wo er aufgrund eines eigenen Willensentschlusses einer entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen war (Ghetto-Beitragszeit). Nach der Befreiung durch die Alliierten am 07. Mai 1945 hielt er sich im DP-Lager Landsberg/Lech auf. Im Juni 1948 reiste er nach Paris; von Frankreich aus wanderte er am 30. April 1949 zunächst nach Brasilien, und von dort in die USA aus, wo er am 24. Februar 1950 eintraf und schließlich die dortige Staatsangehörigkeit erwarb.
Am 15. September 1984 stellte der Versicherte in den USA beim US-amerikanischen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf US-amerikanische Leistungen (im Folgenden: US-Antrag). Deutsche Zeiten machte er bei dieser Antragstellung nicht gehend. Der Antrag war auf US-Leistungen beschränkt.
Aufgrund der Ghetto-Zeit und weiterer Verfolgungs-Ersatzzeiten erhält die Klägerin auf Antrag vom 17. Mai 2011 eine zwischen den Beteiligten nicht streitige Witwenrente von der Beklagten.
Ebenfalls am 17. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten auch die nachträgliche Gewährung und Auszahlung der Regelaltersrente für den Versicherten, was die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2011 mit der Begründung ablehnte, dass das Antragsrecht auf eine Regelaltersrente ein persönliches Recht sei, welches nur zu Lebzeiten des Versicherten ausgeübt werden könne. Ein solcher zu Lebzeiten des Versicherten gestellter Antrag liege aber nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin mit am 28. September 2011 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch. Die Beklagte wies im Rahmen des Widerspruchsverfahrens darauf hin, dass nach Art. 14 des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens (DASVA) in Verbindung mit Art. 7 der hierzu ergangenen Durchführungsvereinbarung (DV/DASVA) ein Antrag auf Geldleistungen in einem Staat nur dann als Antrag nach den Vorschriften des anderen Staates anzusehen sei, wenn auch entsprechende Versicherungszeiten...