Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. selbständige Arbeit. Absetzung von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung. verfassungskonforme Auslegung. sozialgerichtliches Verfahren. Grundurteil im Höhenstreit. entsprechende Anwendung
Leitsatz (amtlich)
1. Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines selbständig Tätigen sind nach § 3 Abs 2 Alg II-VO (juris: AlgIIV 2008) als tatsächlich geleistete notwendige Betriebsausgaben schon von den Betriebseinnahmen abzusetzen. Es sind keine nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II abzusetzenden Beträge und können deshalb auch nicht in dem Erwerbstätigenfreibetrag gem § 11b Abs 2 SGB II aufgehen.
2. Ein Grundurteil kann in entsprechender Anwendung von § 130 Abs 1 SGG auch dann ergehen, wenn zwar eigentlich eine reine Anfechtungsklagesituation (nämlich die Anfechtung einer endgültigen Leistungsfestsetzung und einer damit verbundenen Erstattungsforderung des Jobcenters) vorliegt, im Kern aber nur die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs streitig ist.
Orientierungssatz
Az beim LSG Schleswig: L 3 AS 11/20.
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die für den Zeitraum Februar bis Juli 2015 erlassenen, endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 24. Mai 2016 sowie die für den Bewilligungszeitraum August 2015 bis Januar 2016 erlassenen, endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 8. Juni 2016, jeweils in der Fassung der Bescheide vom 11. Januar 2017 und jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. Januar 2017 dahingehend zu Gunsten der Kläger abzuändern, dass die vierteljährlich jeweils in Höhe von 134,33 € gezahlten Beiträge der Klägerin zu ihrer Berufshaftpflichtversicherung („Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung“) vollumfänglich als notwendige Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung für die selbständige Tätigkeit der Klägerin von den Betriebseinnahmen abgezogen werden und die gegenüber den Klägern geltend gemachten Erstattungsforderungen entsprechend reduziert werden.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der abschließenden Festsetzung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und damit verbundener Erstattungsforderungen des Beklagten gegenüber den Klägern (nur noch) über die Berücksichtigung von Beiträgen zu einer Berufshaftpflichtversicherung als Betriebsausgaben.
Die Klägerin ist seit dem Jahre 2008 als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig, für welche sie (unstreitig) gemäß der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -Beratung (Versicherungsvermittlungsverordnung, siehe Abdruck auf den Blättern 21 ff. Gerichtsakte) in Verbindung mit § 34 d Abs. 2 Nummer 3 und Abs. 5 S. 1 Nummer 3 der Gewerbeordnung eine Berufshaftpflichtversicherung („Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung“) vorhalten muss. Gemäß Versicherungsbestätigung vom 28. Mai 2008 (Blatt 13 Gerichtsakte) hat die Klägerin eine solche abgeschlossen. Jedenfalls seit Januar 2015 erfolgte die Zahlweise vierteljährlich in Höhe von jeweils 134,33 € (siehe Beitragsrechnung der Versicherung vom 8.12.2014, Blatt 18 Gerichtsakte sowie Nachtrag Nummer 3 zum Versicherungsschein vom 22. April 2016, Blatt 16 Gerichtsakte).
Auch der Kläger war selbständig tätig. Im hier streitigen Zeitraum (s.u.) standen die miteinander verheirateten Kläger aufstockend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 waren den Klägern für den Zeitraum Februar bis Juli 2015 (im Folgenden: erster Bewilligungszeitraum – BWZ -), mit Bescheiden vom 27. Juli 2015, 3. August 2015 und 29. November 2015 für den Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 (im Folgenden: zweiter BWZ) vorläufig Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden.
a) In der von ihr nach Ablauf des ersten BWZ ausgefüllten „Anlage zur abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft“ (im Folgenden: abschließende EKS) vom 26. Oktober 2015 (Blatt 156 ff Verwaltungsakte Bd. VI) für den ersten BWZ gab die Klägerin die Beiträge zu ihrer Berufshaftpflichtversicherung als Betriebsausgaben an.
Mit endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheiden vom 24. Mai 2016 stellte der Beklagte für den ersten BWZ fest, dass nur ein geringerer als vorläufig bewilligter Leistungsanspruch aufgrund der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse aus den ausgeübten selbstständigen Tätigkeiten der Kläger bestünde. Bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin aus deren selbstständiger Tätigkeit berücksichtigte der Beklagte dabei bei unveränderter Übernahme der Betriebseinnahmen geringere als von der Klägerin angegebene Betriebsausgaben. Die Abweichung beruhte auf diversen vom Beklagten nicht bzw. nicht in voller Höhe anerkannten Ausgaben, schwerpunktmäßig darauf, dass der Beklagte betriebliche Versicherungen der Klägerin lediglich in Höhe von insgesamt 208,20 € (statt den...