Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung aufgewendeter Sozialhilfeleistungen für eine Frühförderung in einer Pflegefamilie

 

Orientierungssatz

1. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB 10 ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit ein unzuständiger Träger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB 10 vorliegen.

2. Nach § 107 i. V. m. § 98 Abs. 2 S. 1 SGB 12 ist für die Leistungen der Familienpflege nach § 107 SGB 12 der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich das Kind bzw. der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Beginns der Familienpflege hatte oder in den zwei Monaten vor Beginn der Familienpflege zuletzt gehabt hatte.

3. Die Zugehörigkeit für die Leistungen bei Unterbringung in einer anderen Familie nach § 107 SGB 12 erstreckt sich auf alle rechtmäßig erbrachten Leistungen in der Zeit, in der das Kind oder der Jugendliche in der Pflegefamilie untergebracht ist. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ist der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bzw. Jugendlichen.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2.923,80 Euro zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.923,80 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Sozialhilfeleistungen für eine Frühförderung in einer Pflegefamilie.

Die am ... 1984 geborene ... lebte gemeinsam mit ihren Kindern, den am ... 2007 geborenen Zwillingen ... und ... bis Anfang Januar 2008 in einer Obdachlosenunterkunft in ..., Landkreis Lüneburg. Am 05.01.2008 zog sie mit ihren Kindern in das Mutter-Kind-Heim der . in ..., ... Ab 11.07.2008 gewährte die Klägerin den beiden Kindern im Rahmen von Eingliederungshilfe mobile Frühförderung durch die ... GmbH mit einer Einheit pro Woche in der Einrichtung. Ab 21.09.2009 wurde das Kind ... in einer Kurzzeitpflegefamilie übernommen. Am 01.05.2010 wurde die Kurzzeitpflege in eine Vollzeitpflege umgewandelt.

Die Kindesmutter lebte noch bis zum 30.09.2009 ohne ihre Kinder in der Mutter-Kind-Einrichtung der . Danach wurde sie als obdachlos entlassen. Seit dem 15.10.2009 lebt sie im Übergangshaus im ... in ..

Mit Schreiben vom 09.03.2009 machte die Klägerin erstmals die Erstattung der Kosten der Frühförderung der Kinder gegenüber dem Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 22.05.2009 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab. Daraufhin verfolgte die Klägerin ihren Anspruch zunächst nicht weiter.

Mit Schreiben vom 03.06.2010 machte die Klägerin erneut einen Kostenerstattungsanspruch geltend. Sie vertrat die Auffassung, dass die Zuständigkeit für die Kostenübernahme der Frühförderung gemäß § 107 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit § 98 Abs. 2 SGB XII bei dem für den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Kindesmutter zuständigen Sozialhilfeträger liege. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Kindesmutter sei in ... und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gewesen.

Mit Schreiben vom 10.06.2010 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung erneut ab.

Mit dem am 24.05.2011 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Klage auf Zahlung der für das Kind ... .. in der Zeit vom 10.06.2010 bis zum 17.03.2011 für die Frühförderung erbrachten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 2.923,80 Euro erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Beklage habe die Kosten der Frühförderung des Kindes ... in der Pflegefamilie in dem streitbefangenen Zeitraum zu erstatten. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit bezüglich der Kosten der Frühförderung sei nach diesen Vorschriften der gewöhnliche Aufenthalt der Kindesmutter zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes in die Pflegefamilie. § 107 SGB XII entspreche inhaltsgleich dem § 104 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Nach § 104 BSHG sei die örtliche Sozialhilfezuständigkeit nicht auf eine bestimmte Sozialleistungsmaßnahme bezogen, sondern allein abhängig von der Unterbringung in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil. Der gewöhnliche Aufenthalt der Kindesmutter sei vor dem 05.01.2008 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten begründet gewesen, da die Familie in ... gewohnt habe. Gemäß § 105 SGB X bestünde ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Frühförderung ab 10.06.2010. Das Schreiben vom 03.06.2010 mit dem die Kostenerstattung geltend gemacht worden sei, sei spätestens am 10.06.2010 bei dem Beklagten eingegangen. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 10.06.2010 und dann mit Schreiben vom 02.05.2011 die Kostenerstattung abgelehnt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr 2.923,80 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich jedenfalls nicht aus §§ 107, 98 Abs. 2 SGB XII. Nach § 107 SGB XII gelte § 98 Abs. 2 SGB XII entspre...

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