Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei vorausgegangener Tätigkeit im Verwaltungsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr 3103 VV RVG ist der (geringere) Gebührenrahmen dann anzuwenden, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Dies ist bei einem Verfahren, in dem es um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geht, nicht der Fall; das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat im Ergebnis eine andere Zielrichtung, nämlich die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Daher kann mit dem Wort "vorausgegangen" nur gemeint sein, dass das Verwaltungsverfahren nach Antragstellung bzw das Widerspruchsverfahren nach Einlegung des Widerspruchs vorausgegangen und in ein sozialgerichtliches Klageverfahren mündete. Dem Wort "vorausgegangen" ist immanent, dass es sich auf etwas bezieht, was in der Vergangenheit liegt bzw auf etwas, was abgeschlossen ist. So verstanden mündet ein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren nicht in ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.

2. Das jeweilige Eilverfahren gilt gegenüber dem Hauptsacheverfahren als eine "verschiedene" Angelegenheit (vgl § 17 Nr 1 RVG).

 

Tenor

Die Erinnerungen vom 23. März 2006 und vom 11. Mai 2006 werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer vom Erinnerungsgegner im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu erstattenden Gebühren.

Im zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 25 AS 43/06 ER) stritten die Beteiligten um die leistungsmindernde Anrechnung von Kindergeldzahlungen als Einkommen in einem Bewilligungsbescheid vom 08. Dezember 2005, der den Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 regelte. Hiergegen erhob der Erinnerungsführer am 11. Januar 2006 Widerspruch und suchte mit Schriftsatz vom 13. Januar 2006 um einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Lüneburg nach. Mit Beschluss vom 14. Februar 2006 bewilligte die Kammer Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Im Laufe des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erhielt der von dem Erinnerungsführer vertretene Antragsteller Kindergeldleistungen von der Familienkasse für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Februar 2006, woraufhin das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Mit Beschluss vom heutigen Tage sind dem Antragsgegner im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auferlegt worden.

Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006 hat der Erinnerungsführer die Festsetzung von Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 487,20 € beantragt, die sich wie folgt zusammensetzt:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV 

250,00 €

Erledigungsgebühr gem. Nr. 1006 VV

150,00 €

Entgelt für Post- und Telekommunikationsleistung

gem. Nr. 7002 VV (pauschal)

  20,00 €

16 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7007 VV

  67,20 €

Endsumme

487,20 €

Mit Beschluss vom 20. März 2006 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Prozesskostenhilfevergütung, welche dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu erstatten ist, auf 220,40 € unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 € festgesetzt. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr sei zu berücksichtigen, dass der Antragsschriftsatz nicht besonders arbeitsintensiv gewesen sei. Er habe einen nicht ungewöhnlichen Fall betroffen. Auch habe es keine Besonderheiten in dem Umgang mit dem Mandanten gegeben. Insgesamt seien gebührenerhöhende Merkmale nicht zu erkennen, die Mittelgebühr sei nicht angemessen. Eine Erledigungsgebühr sei schon deshalb nicht entstanden, weil ein Anerkenntnis abgegeben und angenommen worden sei.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 23. März 2006 Erinnerung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die Angelegenheit nicht unterdurchschnittlich gewesen sei. Es sei eine Antragsschrift zu verfassen gewesen, die einen gewissen Aufwand beinhaltet habe und wofür allein schon die Mittelgebühr angemessen sei. Auch sei der Schriftverkehr und die Telefonate mit der Familienkasse entscheidend dafür, dass sich das Verfahren erledigen konnte. Auch sei eine Erledigungsgebühr entstanden, da der Erinnerungsführer durch seine vielfältigen Telefonate mit der Familienkasse erst zur Erledigung beigetragen hat.

Der Erinnerungsgegner seinerseits hat mit Schriftsatz vom 11. Mai 2006 ebenfalls Erinnerung gegen die Höhe der Verfahrensgebühr eingelegt und vertritt die Auffassung, diese sei unter Zugrundelegung der Nr. 3103 VV-RVG zu bestimmen und müsse 120,00 € betragen. Hinsichtlich der Erledigungsgebühr schließe er sich der Auffassung des Urkundsbeamten an.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Erinnerungen nicht abgeholfen und sie dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässigen Erinnerungen sind nicht begründet.

Der Urkundsbeamte hat die Kosten des Rechtss...

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