Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach Fallpauschalen
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse für eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB 5 entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung kraft Gesetzes.
2. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5 i. V. m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG.
3. Welche Position im Fallpauschalensystem Diagnosis Related Groups (DRG-Position) abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert.
4. Deren Anwendung hat sich eng am Wortlaut zu orientieren.
5. Leidet ein Neugeborenes mit erheblichen Atem- und Herzproblemen unter den Folgen des Rauchens der Mutter während der Schwangerschaft, so ist dessen stationäre Krankenhausbehandlung nicht unter ICD-10-GM P 96.1 zu subsumieren, weil Nikotin nicht unter den Begriff Drogen i. S. dieser ICD einzuordnen ist. Tabak wird weder danach noch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch den Drogen zugeordnet, obwohl einiges dafür spricht, dass es sich bei Tabak bzw. Nikotin um eine abhängigkeitserzeugende Droge handelt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Das bei der Beklagten familienversicherte Kind H. (Versicherter) wurde am … 2009 in der 30. Schwangerschaftswoche in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus geboren und dort bis zum 22. Mai 2009 behandelt. Bei der Mutter des Versicherten lag ein Nikotinabusus vor. Nach der Geburt litt der Versicherte u.a. unter erheblichen Atem- und Herzproblemen und musste zeitweise intensivmedizinisch behandelt werden. Die Klägerin stellte der Beklagten eine Vergütung von insgesamt 39.205,02 € in Rechnung unter Angabe der DRG P03B. Als Hauptdiagnose kodierte sie P22.0 (Atemnotsyndrom des Neugeborenen) und als Nebendiagnose u. a. ICD P96.1 (Entzugssyndrom beim Neugeborenen bei Einnahme von abhängigkeitserzeugenden Arzneimitteln oder Drogen durch die Mutter).
Mit Schreiben vom 7. August 2009 wandte sich die I., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, an den MDK und bat um Überprüfung der Krankenhausrechnung mit der Fragestellung, ob die Beatmungsstunden korrekt abgerechnet seien sowie insbesondere ob die kodierte entgeltrelevante Nebendiagnose P96.1 begründet sei. In seiner Stellungnahme vom 20. August 2010 vertrat der Gutachter des MDK die Auffassung, dass die Hauptdiagnose medizinisch nachvollziehbar begründet und korrekt kodiert sei. Strittig zu stellen sei jedoch die Nebendiagnose P96.1. Diese sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Im Krankenhausentlassungsbericht werde diesbezüglich nur ein nicht näher spezifizierter Nikotinabusus der Mutter beschrieben. Unter Streichung der Nebendiagnose P96.1 komme der vorliegende Fall statt in der vom Krankenhaus beanspruchten DRG P03.B nunmehr in der DRG P03.C zur Abbildung. Die Beklagte teilte der Klägerin das Ergebnis der Begutachtung mit und forderte eine Rückzahlung des überzahlten Betrages.
In seiner Stellungnahme führte der Chefarzt der Klägerin J. aus, sämtlichen Ärzten wie auch medizinischen Laien im Dienste von Krankenkassen sei bekannt, dass Nikotin eine Abhängigkeit erzeuge und Entzugssymptome verursachen könne. Dies treffe insbesondere auf Früh- und Neugeborene zu, deren Mütter während der Schwangerschaft, wie im vorliegenden Fall, geraucht hätten. Der Nikotinentzug mache sich durch eine verstärkte Unruhe wie auch Bradykardie und Apnoen bemerkbar. Sämtliche Symptome seien in der Krankenakte des Versicherten postnatal dokumentiert worden. Somit sei die Nebendiagnose P96.1 korrekt verschlüsselt worden.
Die I. veranlasste daraufhin ein weiteres Gutachten durch den MDK, das von einem Arzt für Kinder- und Jugendmedizin am 1. Dezember 2012 erstellt wurde. Dieser führte aus, bereits ICD-systematisch stehe für die Kodierung einer Schädigung des Feten und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter mit ICD P04.2 (Schädigung des Feten und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter) ein spezifischer Kode zur Verfügung, der der Kodierung mit ICD P96.1 vorgehe. Hinzukomme, dass die Entzugssymptomatik im Sinne von ICD P96.1, deren Stellenwert gegenüber einer neurotoxischen Wirkung beim Neugeborenen in der Zuordnung sehr kontrovers diskutiert werde, einen eigenständigen durch Nebendiagnosen abzubildenden Aufwand veranlassen müsste, der über die ebenfalls spezifischen ICD P28.4 und ggf. ICD P91.3 hinausgehe. Eine solche Konstellation ergebe sich unter Umständen beim Heroin- und Methadonentzug des Neugeborenen, was auch im ICD-10-GM bei ICD P96.1 ausdrücklich vermerkt werde. Da sowohl die ICD-Systematik als auch der fehlende Mehraufwand hier nach den vereinbarten Kodiervorschriften gegen die Kodierung des ICD P96.1 auch im vorliegen...