Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. Bestattungsverpflichteter. Zumutbarkeit
Orientierungssatz
1. Ein Hilfebedürftiger ist nach landesrechtlichen Vorschriften - hier § 16 Abs 1 Bestattungsgesetz des Landes Berlin - kostentragungspflichtig, obgleich er als Bruder das Erbe ausgeschlagen hat.
2. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit konkretisiert das Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe nach § 2 Abs 1 SGB 12. Der Begriff der Zumutbarkeit ist nach Maßgabe des Einzelfalls auszulegen (vgl BVerwG vom 5.6.1997 - 5 C 13/96 = BVerwGE 105, 51 und VGH Mannheim vom 27.3.1992 - 6 S 1736/90 = FEVS 42, 380). Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen sind auch andere Momente zu berücksichtigen. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R).
3. Das übersteigende Einkommen ist grundsätzlich nur für 1 Monat im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen (vgl OVG Münster vom 13.2.2004 - 16 A 1160/02 = FEVS 56, 12 und VGH Kassel vom 10.2.2004 - 10 UE 2497/03 = FEVS 55, 400). Dabei ist grundsätzlich auf die §§ 85ff SGB 12 abzustellen.
4. Nicht berücksichtigungsfähig sind nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut von § 85 Abs 1 Nr 2 SGB 12 Heizkosten.
5. Die Höhe des anrechenbaren Anteils des die Einkommensgrenze des § 85 SGB 12 übersteigenden Betrages bestimmt sich nach der Art des Bedarfes und der persönlichen sowie verwandtschaftlichen Nähe zum Verstorbenen (vgl BSG vom 29.9.2009 aaO, OVG Lüneburg vom 8.5.1995 - 12 L 6679/93, OVG Münster vom 13.2.2004 - 16 A 1160/02 aaO und VGH Kassel vom 10.2.2004 - 10 UE 2497/03 aaO).
6. Die Erforderlichkeit bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf deren Höhe.
7. Zu übernehmen sind regelmäßig die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, die nicht beschränkt sind auf die Aufwendungen einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten Einfachbestattung (vgl OVG Münster vom 4.3.1996 - 19 A 194/96 und LSG Darmstadt vom 20.3.2008 - L 9 SO 20/08 B ER = FEVS 59, 567). Dabei ist der Eindruck eines Armengrabes zu vermeiden und auf ein Begräbnis in ortsüblicher einfacher Art in Würde zu achten (vgl VGH Kassel vom 10.2.2004 aaO und VG Hannover vom 6.6.2000 - 3 A 5028/99). Eine generelle Feuerbestattung oder anonyme Beisetzung sind nicht statthaft und nicht vom Rechtsbegriff der Erforderlichkeit gedeckt (vgl VG Hannover vom 16.9.1997 - 3 A 2204/96).
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2007 verurteilt, dem Kläger die Bestattungskosten für G. H. in Höhe von 2.017,23 Euro aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat dem Kläger 94 Prozent seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Berufung des Klägers wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt vom Beklagten die Übernahme der Kosten der Bestattung seiner Schwester, G. H., in Höhe von 2.183,30 Euro aus Mitteln der Sozialhilfe.
Die Schwester des I. geborenen Klägers verstarb am 08. Mai 2007. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 21. Mai 2007 mit (Bl. 3 der Verwaltungsakte), dass er bestattungspflichtig sei. Der Kläger ist verheiratet, bezieht eine Altersrente in Höhe von monatlich 1.249,09 Euro und ist Eigentümer eines Hausgrundstücks. An Unterkunftskosten für das Haus fallen monatlich 12,29 Euro Grundsteuer, 2,29 Euro Entsorgungskosten, 321,67 Euro Hypothek, 14,50 Euro für Trinkwasser, 4,49 Euro für Schornsteinfeger, 15,-- Euro für Abfall, 26,31 für Gebäudeversicherung an. Ferner entstehen monatliche Aufwendungen für Heizung von 79,21 Euro. Ferner hat der Kläger über seine Ehefrau jeweils eine Hausratsversicherung mit monatlicher Prämie von 7,53 Euro und eine Haftpflichtversicherung mit 9,15 Euro abgeschlossen. Er verfügt über eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit Prämien von monatlich 12,37 Euro und eine Rechtsschutzversicherung mit Prämien von 16,67 Euro. Auf dem Festgeldkonto befanden sich im Mai 1.252,73 Euro.
Der Kläger stellte beim Beklagten am 30. Mai 2007 einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe, den der Beklagte mit Bescheid vom 01. Juni 2007 ablehnte (Bl. 37 bis 38 der Verwaltungsakte) und damit begründete, dass der Kläger nicht bedürftig sei und die Kosten der Bestattung tragen könne.
Am 15. Juni 2007 schlug der Kläger das Erbe nach seiner Schwester aus (Bl. 45 der Verwaltungsakte). Der Sohn des Klägers, J. K., schlug das Erbe ebenfalls aus (Bl. 48 der Gerichtsakte).
Dagegen legte der Kläger am 27. Juni 2007 Widerspruch ein (Bl. 42 bis 44 der Verwaltungsakte), welchen er damit begründete, dass er das Erbe ausgeschlagen habe. Ferner seien bei der Einkommensanrechnung die Heizkosten zu berücksichtigen. Es sei auch die schwerbehinderte Ehefrau des Klägers einzubeziehen...