Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet trotz Zuständigkeit eines anderen Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Kirchenasyl
Leitsatz (amtlich)
Begibt sich ein Leistungsberechtigter ins Kirchenasyl, um den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, begründet dies die Annahme eines rechtsmissbräuchliches Verhaltens nach § 2 Abs 1 AsylbLG.
Orientierungssatz
Ist ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (vgl § 29 Abs 1 Nr 1 AsylVfG 1992), erweist sich bereits der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtsmissbräuchlich, was den Bezug von Analogleistungen ausschließt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i. V. m. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) anstelle von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.
Der Kläger ist nach seinen Angaben am I. geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Am 17. Juni 2013 stellte er in Ungarn und nach der Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 23. Juni 2013 einen weiteren Antrag auf Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 03. Dezember 2013 wurde der in Deutschland gestellte Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet; ein hiergegen, vom Kläger eingeleitetes Verfahren auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg (Az.: 1 B 90/13) ohne Erfolg.
Mit Schreiben vom 25. März 2014 teilte ihm der Beklagte die geplante Überstellung nach Ungarn am 02. April 2014 mit; zuvor hatten sich die ungarischen Behörden am 04. März 2014 gegenüber dem BAMF zur Rückübernahme zwecks Durchführung seines Asylverfahrens bereit erklärt. Am 31. März 2014 erklärte der Kläger über seine Bevollmächtigten, dass ihm der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost Kirchenasyl gewährt habe.
Mit Schreiben des Beklagten vom 01. April 2014 wurde der Kläger informiert, dass aufgrund eines Streiks die geplante Überstellung nach Ungarn am 02. April 2014 nicht stattfinden könne. Mit Schreiben vom 15. April 2014 teilte ihm der Beklagte einen neuen Termin für die Überstellung nach Ungarn per Flugzeug am 08. Mai 2014 mit. Am 19. Mai 2014 informierte die freikirchliche Gemeinde Harburg II den Beklagten darüber, dass sich der Kläger seit dem 16. Mai 2014 im Kirchenasyl befinde; dem Schreiben beigefügt war ein Beschluss der Gemeindeleitung vom 16. Mai 2014, mit welchem ihm Kirchenasyl gewährt wurde. Am 07. Oktober 2014 erklärte der Kläger das Kirchenasyl für beendet.
Seit der Zuweisung in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten zum 1. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 sowie erneut ab 01. Oktober 2014 bezieht der Kläger Leistungen gem. § 3 AsylbLG, die ihm für jeweils einen Monat entweder durch schriftlichen Bescheid oder konkludent durch Auszahlung der Leistung gewährt werden. Einen mit Schreiben vom 30. August 2016 gestellten Antrag auf Gewährung von höheren Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i. V. m. SGB XII (sog. Analogleistungen) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. August 2016 ab.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. November 2016 beantragte der Kläger erneut die Umstellung auf Analogleistungen sowie die Nachzahlung der höheren Leistungen ab Oktober 2014. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2017 ab mit der Begründung, der Kläger habe seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Er habe bewusst falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, habe die Einreise nach Deutschland aus einem sicheren Drittstaat zielgerichtet betrieben, um rechtsmissbräuchlich die Aufenthaltsdauer zu beeinflussen und Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten, und er habe durch Untertauchen in der Zeit vom 08. Mai bis 16. Mai 2014 sich der Überstellung nach Ungarn bewusst entzogen.
Nach Zurückweisung eines hiergegen erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2017 hat der Kläger am 17. Mai 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Ebenfalls am 17. Mai 2017 hat er vor dem SG Lüneburg einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit dem Ziel, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Analogleistungen zu verpflichten; diesen Antrag hat das Sozialgericht Lüneburg mit Beschluss vom 24. Juli 2017 abgelehnt.
Der Kläger trägt vor, der gegen ihn erhobene Vorwurf des Untertauchens sei nicht gerechtfertigt. Er habe sich seit 31. März 2014 im Kirchenasyl befunden; zudem könne ein Untertauchen für 8 Tage auch keinen dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen zur Folge haben. Die Registrierung in Ungarn unter dem abweichenden Namen “J. (geb. K.)„ rechtfertige den Vorwurf falscher Identitätsangaben nicht, zumal er zum damaligen Zeitpunkt primärer Analphabet...