Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung zwischen den Sozialhilfeträgern

 

Orientierungssatz

1. Die Erstattungsregelung zwischen den örtlich zuständigen Sozialhilfeträgern bei Unterbringung des Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung nach den Vorschriften der §§ 106 Abs. 3 und 98 Abs. 2 SGB 12 bezweckt den Schutz des Einrichtungsortes vor überproportionalen finanziellen Belastungen.

2. Nach dem Wortlaut des § 106 Abs. 3 SGB 12 kommt es darauf an, ob innerhalb eines Monats nach Verlassen der Einrichtung Sozialhilfe erbracht wird. Entscheidend ist, dass eine Leistung der Sozialhilfe binnen Monatsfrist bezogen wird, um die Kontinuität des Hilfefalles zu gewährleisten. Nur dann ist es sachgerecht, den bislang zuständigen Leistungsträger einem auf maximal zwei Monate begrenzten Erstattungsanspruch auszusetzen.

3. Der Schutz des Einrichtungsortes rechtfertigt es, den Leistungsträger des Einrichtungsortes nicht nur für die Zeit der Unterbringung, sondern auch eines abgegrenzten Folgezeitraumes zu privilegieren.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für F. G. H. in der Zeit vom 01. April 2008 bis 30. November 2009 verauslagten Aufwendungen der Sozialhilfe in Höhe von 7.943,47 Euro zu erstatten.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin erstrebt vom Beklagten die Erstattung aufgewandter Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für Leistungsberechtigten F. G. H. für die Zeit vom 01. April 2008 bis 30. November 2009 in Höhe von 7.943,47 Euro.

Der I. geborene Leistungsberechtigte hielt sich zunächst im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in J. auf und befand sich bis Ende März 2008 im Maßregelvollzug des Psychiatrischen Klinikums K.. Nach der Entlassung wurde er bis 10. Juni 2008 ambulant betreut und erhielt ab diesem Zeitpunkt von der Klägerin Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.

Der Umfang der Aufwendungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Mit Schreiben vom 28. März 2008 meldete die Klägerin beim Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 106 Absatz 3 SGB XII an, welchen dieser ablehnte.

Die Klägerin hat am 09. Dezember 2009 Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Der Leistungsberechtigte habe vor Aufnahme in die stationäre Einrichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt. Auch Grundsicherungsleistungen seien gemäß § 8 Nr. 2 SGB XII Leistungen der Sozialhilfe, welche erstattungsfähig seien. Dies ergebe sich auch aus dem Schutzzweck des § 106 Absatz 3 SGB XII. Ferner finde über § 98 Absatz 4 SGB XII die Norm vorliegend Anwendung.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die für F. G. H. in der Zeit vom 01. April 2008 bis 30. November 2009 verauslagten Aufwendungen der Sozialhilfe in Höhe von 7.943,47 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Er trägt vor:

§ 106 Absatz 3 SGB XII finden auf Grundsicherungsleistungen keine Anwendung. Die Zuständigkeit der Klägerin ergebe sich vielmehr aus § 98 Absatz 1 Satz 2 SGB XII.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst beigezogener Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf gemäß § 124 Absatz 2 SGG verzichtet haben.

Die Klage ist als Leistungsklage zulässig (§ 54 Absatz 5 SGB XII).

Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten hinsichtlich der aufgewandten Grundsicherungsleistungen hat.

Rechtsgrundlage des Klagebegehrens ist § 106 Absatz 3 SGB XII.

Nach Satz 1 dieser Norm sind dem örtlichen Träger der Sozialhilfe, wenn in den Fällen des § 98 Absatz 2 die leistungsberechtigte Person die Einrichtung verlässt und sie im Bereich des örtlichen Trägers, in dem die Einrichtung liegt, innerhalb von einem Monat Leistungen der Sozialhilfe erhält, die aufgewendeten Kosten von dem Träger der Sozialhilfe zu erstatten, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Absatz 2 Satz 1 hatte. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Erstattungspflicht wird nicht durch einen Aufenthalt außerhalb des Bereichs oder in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Absatz 2 Satz 1 unterbrochen, wenn dieser zwei Monate nicht übersteigt; sie endet, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten Leistungen nicht zu erbringen waren, spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Verlassen der Einrichtung.

Nach § 98 Absatz 2 Satz 1 SGB XII ist für die stationäre Leistung der örtliche Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monate...

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