Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. vollstationäre Pflege. Leistungszuschlag nach § 43c SGB 11. Ausschluss von Bewohnern in Einrichtungen ohne Vergütungsvereinbarung. Verfassungsmäßigkeit iSd Art 3 Abs 1 GG
Leitsatz (amtlich)
Nach § 91 Abs 2 SGB XI Erstattungsberechtigte haben keinen Anspruch auf einen Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI.
Orientierungssatz
Es ist sachlich begründet, dass Bewohner von Einrichtungen ohne Vergütungsvereinbarung im Gegensatz zu solchen mit einer Vergütungsvereinbarung von einem Anspruch nach § 43c SGB 11 ausgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) liegt insoweit nicht vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Leistungszuschlags nach § 43 c SGB XI.
Die Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie lebt vollstationär in der Pflegeeinrichtung „F.“. Mit der Einrichtung besteht ein Versorgungsvertrag der Pflegekassen. Bis zum 31.3.2022 bestand mit ihr keine Vergütungsvereinbarung. Die Bewohner der Einrichtung erhielten eine Kostenerstattung nach § 91 Abs. 2 SGB XI.
Mit Schreiben vom 1.4.2022 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Vergütungszuschlag nach § 43 c SGB XI geltend. Sie führte aus, auch bei Erhalt von Leistungen nach § 91 Abs. 2 SGB XI seien die Zuschläge gemäß § 43 c SGB XI zu gewähren.
§ 43 c SGB XI nehme Bezug auf § 43 SGB XI im Allgemeinen und nicht allein auf den in § 43 Abs. 2 SGB XI näher konkretisierten Leistungsbezug. § 43 Abs. 1 SGB XI normiere zunächst einmal den grundsätzlichen Anspruch für alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5. Die §§ 85 bis 89 bzw. § 91 SGB XI, die systematisch in einem anderen Kapitel stünden, regelten hingegen die Höhe der Pflegevergütung. Dabei nehme auch § 91 SGB XI eindeutig Bezug auf die §§ 43 ff. SGB XI. Pflegebedürftige in Einrichtungen ohne Vergütungsvereinbarung im Sinne von §§ 85 ff. SGB XI seien damit grundsätzlich ebenso leistungsberechtigt im Sinne von § 43 SGB XI. Ein Unterschied bestehe lediglich in der Art der Kostenerstattung. Daher müsste diesen Pflegebedürftigen folglich auch der Anspruch nach § 43 c SGB XI gewährt werden.
Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung zu § 43 c SGB XI gestützt. Sinn der Regelung sei es, eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden (BT-Drucks. 19/30560, S. 62). Dazu solle der Eigenanteil der Pflegebedürftigen an der Pflegevergütung schrittweise verringert werden. Diese Regelungen bezögen sich nicht allein auf Bezieher von Leistungen nach § 43 SGB XI. In der Gesetzesbegründung werde ausgeführt, mit der jeweils direkten Inrechnungstellung der nach Anwendung der Eigenanteilsbegrenzung verbleibenden Beträge durch die Pflegeeinrichtungen an die Pflegekassen und die Pflegebedürftigen könnten unnötige Vorfinanzierungen und Zahlungsvorgänge vermieden werden. Der Gesetzgeber habe hier mithin nicht nur die Konstellation des § 85 SGB XI vor Augen gehabt, sondern auch die Konstellation des § 91 SGB XI erfassen wollen. Bei dem Bezug der Gesetzesbegründung auf § 43 SGB XI handele es sich nicht um einen Ausschluss der Konstellation nach § 91 SGB XI. Der Satz, bei der Bemessung des Zeitraums würden Monate, in denen nur für einen Teilzeitraum Leistungen nach § 43 bezogen worden seien, voll mitgezählt, stehe nicht entgegen.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sei anhand der gesetzlichen Leistungshöchstbeträge zu berechnen. Diese seien für die vollstationäre Pflege in § 43 Abs. 2 SGB XI geregelt. Da § 43 SGB XI durch § 43 c SGB XI modifiziert werde, sei § 43 c SGB XI auch im Rahmen der Berechnung nach § 91 Abs. 2 SGB XI anzuwenden. Es sei nicht zu befürchten, dass dadurch der Sinn des § 91 Abs. 2 SGB XI konterkariert werde. In dessen Satz 2 habe der Gesetzgeber widerstreitende Interessen zum Ausgleich gebracht. Zum einen solle die Regelung des Abs. 2 Satz 2 vermeiden, dass das Vergütungssystem durch Preisvereinbarungen zu Lasten der Pflegeversicherungen unterwandert werde. Dies werde durch die Deckelung des Kostenerstattungsanspruchs auf 80 % des gesetzlichen Leistungshöchstbetrages vermieden. Bei § 43 c SGB XI handele es sich aber schon nicht um eine Preisvereinbarung zwischen der Pflegeeinrichtung und der pflegebedürftigen Person, die zu Lasten der Pflegeversicherung abgeschlossen worden sei, sondern um eine Norm, die darauf abziele, eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden. Bereits deshalb sei § 43 c SGB XI auch bei der Abrechnung nach § 91 SGB XI zu berücksichtigen.
Der Ausschluss einer Leistungsgewährung nach § 43 c SGB XI stelle zudem eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Bewohner und auch der Pflegeeinrichtungen dar. Es sei insbesondere die Wahlfreiheit hinsichtlich einer Pflegeeinrichtung zu berücksichtigen. Sie, die Klägerin, werde auch ungerechtfertigt benachteiligt, wenn eine Vorschrift, die gerade auf den...