Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung. Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts. Erforderlichkeit eines Sicherheitszuschlags bei Anwendung der Tabellensätze nach dem Wohngeldgesetz als Angemessenheitsmaßstab

 

Orientierungssatz

Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, kann ausnahmsweise für die Beurteilung dieser Angemessenheit auf die für das Wohngeld festgelegten Werte abgestellt werden. Dabei sind auch die im Wohngeldrecht festgelegten Kappungsgrenzen mit anzuwenden. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlags auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldrecht zur Angemessenheitsgrenze von Unterkunftskosten für Grundsicherungsempfänger ist indes nicht gerechtfertigt.

 

Tenor

Der Bescheid vom 20.2.2017 wird hinsichtlich des Monats August 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Die Berufung wird für die Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum von März bis August 2016.

Der Beklagte gewährt den Klägern, einer in K. wohnhaften, dreiköpfigen Familie, Leistungen nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 30.11.2015 forderte der Beklagte die Kläger zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf. Er führte aus, die Unterkunftskosten in Höhe von 771 € und die Heizkosten in Höhe von 254 € könnten nur noch bis zum 31.5.2016 übernommen werden. Angemessen seien eine Wohnungsgröße von 75 m², Mietkosten bis zu 695 € und Heizkosten in Höhe von maximal 1,70 € pro angemessenem Quadratmeter, im Fall der Kläger „maximal 75,00 Euro (1,70 Euro x 127,50 m²)„.

Mit Bescheid vom 16.2.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von März bis August 2016. Dabei berücksichtigte er durchgehend Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 1025,01 €. Auf den Bedarf rechnete er unter anderem Krankengeld für den Kläger zu 1) an. Eine Begründung für die Vorläufigkeit wurde nicht angegeben.

Zum 1.3.2016 schlossen die Kläger einen Mietvertrag über eine neue Unterkunft. Für ihre 80 m² große Wohnung hatten sie insgesamt 900 € an ihren Vermieter zu zahlen. Hiervon entfielen 50 € auf Strom. Zu den weiteren 850 € teilte der Vermieter mit, der Anteil der Heizkosten sei schwer zu ermitteln, da mit einer Pelletsheizung geheizt werde; er schätze die Heizkosten auf 150 bis 155 €.

Mit Änderungsbescheid vom 7.3.2016 setzte der Beklagte die vorläufige Leistungshöhe für die gesamten sechs Monate neu fest. Nunmehr berücksichtigte er bereits ab März 2016 nur noch Unterkunftskosten von 695,01 € sowie Heizkosten in Höhe von 150 €.

Bei einer Neuberechnung durch Änderungsbescheid vom 2.5.2016 berücksichtigte der Beklagte ab Juni 2016 neben Unterkunftskosten von 695,01 € nur noch Heizkosten in Höhe von 127,50 €.

Mit Änderungsbescheid vom 11.5.2016 nahm der Beklagte wiederum eine Neufestsetzung der vorläufigen Leistungen für die gesamten sechs Monate vor. Grund für diese Änderung war die Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses durch den Kläger zu 3). Aufgrund dessen wurde die Leistungshöhe für den Monat August 2016 auf 0,00 € reduziert. Die berücksichtigten Leistungen für Unterkunft und Heizung blieben gegenüber dem vorangegangenen Bescheid unverändert. Eine Begründung für die Vorläufigkeit der Bewilligung nannte der Bescheid nicht.

Mit Änderungsbescheid vom 29.6.2016 nahm der Beklagte eine Neuberechnung der vorläufigen Leistungen für den Monat Mai 2016 vor. Mit Änderungsbescheid vom 4.8.2016 erfolgte eine vorläufige Neufestsetzung für den Monat Juli 2016, mit Bescheid vom 26.8.2016 eine solche für den Monat August 2016. Eine Änderung hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgte auch insoweit nicht.

Im August 2016 beantragten die Kläger unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 11.5.2016 und mögliche Folgebescheide, die Bescheide für die Zeit von März bis August 2016 abzuändern und die Einnahmen vor dem Hintergrund der tatsächlich bezogenen Leistungen neu zu berechnen sowie die Leistungen auch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu überprüfen und abzuändern. Sie machten geltend, sie zahlten eine Warmmiete von 850 € inklusive Heizkosten von 150 € zzgl. 50 € für Strom an den Vermieter. Daraus ergebe sich für die Kosten der Unterkunft ein Betrag von 700 €. Liege kein schlüssiges Konzept vor und greife der Grundsicherungsträger dann auf die Wohngeldtabelle zurück, sei nach der Rechtsprechung ein Sicherheitsaufschlag von 10 % auf die Beträge der Wohngeldtabelle vorzunehmen. Dies werde damit begründet, dass letztlich die Anwendung der Wohngeldtabelle der Deckelung der Aufwendungen bei der Übernahme der Unterkunftskosten diene, und zwar unabhängig von den konkreten Verhältnissen im Vergleichs...

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