Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Rechtsprechung des BSG zum schlüssigen Konzept. Verfassungswidrigkeit. Wesentlichkeitstheorie. verfassungskonforme Auslegung. Wohngeldrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist mit Verfassungsrecht nicht vereinbar, die Bestimmung der im Rahmen des SGB 2 übernahmefähigen Kosten der Unterkunft den Grundsicherungsträgern bzw Sozialgerichten zu überlassen.

2. Die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" ist mit der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG und dessen Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht in Einklang zu bringen.

3. § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 ist verfassungskonform auszulegen, indem die Kappungsgrenzen des § 12 Abs 1 WoGG als Grenzen für die abstrakt übernahmefähigen Kosten der Unterkunft zugrunde gelegt werden. Ein Zuschlag von 10 % ist dabei nicht vorzunehmen.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2013 verurteilt, für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe von 800,00 Euro zu gewähren.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom beklagten Grundsicherungsträger zu übernehmenden Unterkunftskosten.

Bei den Klägern handelt es sich um eine sechsköpfige Familie. Die Kinder, drei Söhne und eine Tochter, wurden im Zeitraum von 1998 bis 2002 geboren. Die Familie wohnte in der Vergangenheit in M. in der Straße “N.„. Dort hatten sie zuletzt pro Monat Unterkunftskosten in Höhe von 626,00 Euro und Heizkosten in Höhe von 140,00 Euro zu entrichten.

Mit Bescheid vom 30.05.2013 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2013. Dabei übernahm er für Unterkunft und Heizung die genannten tatsächlichen Kosten.

Die Kläger beabsichtigten in der Folgezeit den Umzug in eine andere Wohnung in M.. Als Grund gaben sie gegenüber dem Beklagten einen Schimmelbefall ihrer bisherigen Wohnung an.

Der Außendienst des Beklagten stellte bei einem Hausbesuch am 08.07.2013 vereinzelte schimmelartige Verfärbungen fest.

Die Kläger äußerten hierzu, das Gebäude sei in einen Hang gebaut und verfüge im unterirdischen Bereich über keinen Schutz vor aufsteigendem Wasser. Die mitunter auch fühlbare Feuchtigkeit habe an verschiedenen Stellen zu einem nachhaltigen Schimmelbefall geführt. Der Vermieter kenne das Problem, habe aber lediglich wenig kostenaufwändige Versuche der Abhilfe unternommen. Zudem sei die Wohnung ungünstig geschnitten. Sie hätten bisher versucht, die Kinder nach Geschlecht getrennt unterzubringen. Die nun in Betracht gezogene Wohnung weise mehr Zimmer auf und sei daher auch in dieser Hinsicht von Vorteil.

Mit Bescheid vom 20.08.2013 lehnte der Beklagte eine Zusicherung zum Umzug ab. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid zurückwies. Eine anschließend angestrengte Klage vor dem erkennenden Gericht (Az.: S 23 1382/13) nahmen die Kläger nach erfolgtem Umzug zurück.

Am 01.10.2013 bezogen die Kläger die neue Wohnung. Für diese fielen pro Monat Unterkunftskosten von 680,00 Euro und Heizkostenabschläge von 120,00 Euro an.

Mit Änderungsbescheid vom 14.10.2013 setzte der Beklagte aufgrund des Umzuges die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2013 neu fest. Nunmehr gewährte er für die Unterkunft einen monatlichen Betrag von nur 638,00 Euro. Die Heizkosten übernahm er in der vollen Höhe von 120,00 Euro.

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, die Kläger hätten keine Zusicherung zum Umzug erhalten. Eine solche würde auch inzwischen nicht erteilt werden, da die Unterkunftskosten für die neue Wohnung unangemessen hoch seien. Der Landkreis M. habe seinerzeit ein Mietwertgutachten in Auftrag gegeben, in welchem der örtliche Wohnungsmarkt untersucht worden sei. Die damals ermittelten Werte seien inzwischen aktualisiert worden. Das Wohnungsmarktgutachten bilde ein schlüssiges Konzept, welches die als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten abbilde. Für einen sechsköpfigen Haushalt seien danach hier 638,00 Euro als Obergrenze anzusehen.

Die Kläger haben am 21.01.2014 Klage erhoben. Sie tragen vor, die Wohnfläche der neuen Wohnung sei zwar geringer als die frühere Unterkunft, verfüge aber über eine ausreichende Zahl von Zimmern. Außerdem habe die alte Wohnung teilweise im Souterrain gelegen. Die Kläger haben Photos der alten Wohnung vorgelegt.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2013 zu verurteilen, für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 die tatsächlichen Wohnkosten zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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