Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des gehbehinderten Kindes auf Versorgung mit dem Bewegungstrainer Innowalk - einstweiliger Rechtschutz
Orientierungssatz
1. Der Versicherte hat nach § 33 Abs. 1 SGB 5 Anspruch auf Versorgung mit einem Bewegungstrainer als Hilfsmittel u. a., wenn dieser zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung erforderlich ist.
2. Leidet ein Kind an einer Zerebralparese mit spastischer Diplegie, kann es nur wenige Schritte ohne Unterstützung laufen und kann die Krankenbehandlung nicht allein durch Physio- und Ergotherapie gesichert werden, so stellt die Versorgung mit dem Bewegungstrainer Innowalk eine notwendig relevante Stimulations- und Aktivierungshilfe für ein Kind mit schwerwiegenden Bewegungseinschränkungen dar.
3. Damit ist der zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz erforderliche Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil dem Antragsteller anderenfalls schwere und unzumutbare Nachteile entstehen würden.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin mit dem Bewegungstrainer "Innowalk" der Firma "made for movement" als Leihgerät für 6 Monate zu versorgen und die entsprechenden Kosten dafür zu übernehmen.
2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung von der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für den Bewegungstrainer "Innowalk" der Firma "made for movement" als Leihgerät für 6 Monate.
Die am ... 2010 in der 30. Schwangerschaftswoche geborene Antragstellerin leidet an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Diplegie bei Frühgeburtlichkeit. Aufgrund dieser Diagnosen entwickelt sich die Antragstellerin vor allem im motorischen Bereich nur zeitverzögert: Mit 2 Jahren erlernte die Antragstellerin den Zwischenfersensitz und mit 2,5 Jahren, das Laufen an Hilfsmitteln. Die Antragstellerin kann mit pathologischen Bewegungsmustern selbstständig einen Lagewechsel vom Liegen bis in den Kniestand vollziehen. Das Aufrichten zum Stand ist ihr mit leichten Hilfen, der Abstützung an einer Wand oder einem festen Gegenstand möglich. Die Antragstellerin kann einige Schritte unsicher ohne Unterstützung laufen. In einem pathologischen Bewegungsmuster ist ihr das Gehen an Stöcken möglich. Aufgrund einer Muskelverkürzung in den Beinen wurde am 07.10.2014 eine Therapie mit Botox-Injektionen durchgeführt. Eine wesentliche Verbesserung des Gangbildes stellte sich dadurch jedoch nicht ein. In der S. Klinik M. H. wurde die Indikation einer perkutanen Myofsciotomie beider Beine gestellt und am 02.12.2014 erfolgreich durchgeführt. Dadurch konnte bei der Antragstellerin ein verbessertes Gangbild erreicht werden.
Die Antragstellerin führte in der Zeit vom 23.06.2015 bis 31.07.2015 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Helios Klinik H. durch. Während dieser Maßnahme konnte die Antragstellerin im Rahmen der Physiotherapie das beantragte Hilfsmittel "Innowalk" erproben. Durch das Training mit diesem Hilfsmittel konnten erste Erfolge in der Therapie beobachtet werden. Die Helios Klinik H. verordnete der Antragstellerin unter dem 24.07.2015 den Bewegungstrainer "Innowalk" als Leihgerät für 6 Monate und beantragte bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme. Zur Begründung führte die Helios Klinik H. aus, dass eine mehrwöchige Erprobungsphase stattgefunden habe, in der das Gerät regelmäßig genutzt und dadurch gute Erfolge feststellbar seien. Es habe sich eine verbesserte Becken- und Rumpfstabilität gezeigt, was sich auch positiv auf das Gangbild inner- und außerhalb der Therapie ausgewirkt habe. Aufgrund der guten Erfolge und dem weiterhin bestehenden Therapiepotential werde nun um eine 6-monatige Leihversorgung mit diesem Gerät gebeten. Das verordnete Hilfsmittel sei medizinisch notwendig und werde aus therapeutischem Nutzen benötigt, um die bestehenden körperlichen Behinderungen auszugleichen und den Effekt der Rehabilitationsmaßnahme zu sichern. Das begehrte Hilfsmittel genüge auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Zur Verordnung wurde ein Kostenvoranschlag vom 05.08.2015 i. H. v. 3.504,35 EUR zur Genehmigung sowie ein Erprobungsbericht eingereicht.
Zur Prüfung der Leistungspflicht legte die Antragsgegnerin die Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Begutachtung vor. Dieser kam in seinem Gutachten vom 11.08.2015 zu dem Ergebnis, dass die begehrte Versorgung nicht befürwortet werden könne. Der "Innowalk" sei ein motorbetriebenes, multifunktionelles Hilfsmittel mit einer Sitz- und Stehfunktion. Es ermögliche Kindern mit schweren Mehrfachbehinderungen das Ausüben von Gehbewegungen. Die Kinder würden in ihm bewegt, ohne dass das Gerät von ihnen selbst gesteuert werden könne. Der "Innowalk" sei relativ neu auf dem Markt. Vor 2 Jahren sei die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis beantragt worden, allerdings seien vom Hersteller trotz Nachfrage keine ausreichenden ...