Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Kosten für die Einholung einer ärztlichen Bescheinigung als Nachweis. Mitwirkungspflicht. Nichtvorliegen einer ärztlichen Untersuchung. keine Kostenübernahme im Rahmen der §§ 60 ff SGB 1. kein Aufwendungsersatz im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag
Leitsatz (amtlich)
1. Das Ausstellen einer ärztlichen Bescheinigung durch den behandelnden Arzt des Antragsstellers als Nachweis für den Mehrbedarf einer kostenaufwändigen Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II stellt keine Untersuchungsmaßnahme nach § 62 SGB I dar.
2. Die durch die Einholung der ärztlichen Bescheinigung entstandenen Kosten sind im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I des Antragsstellers nicht von dem Leistungsträger zu erstatten, soweit die Kosten nicht entgegen § 65 Abs 1 SGB I in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommen Sozialleistung stehen.
3. Die Einholung der ärztlichen Bescheinigung als Nachweis eines Mehrbedarfs einer kostenaufwändigen Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II ist ein eigenes Geschäft des Antragsstellers nach §§ 677, 683 BGB im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs 1 SGB I.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1978 geborene Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für die Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung.
Die Beklagte gewährte dem Kläger für den Leistungszeitraum vom 01. September 2016 bis zum 31. August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit anwaltlichen Schriftsatz vom 06. September 2016 Widerspruch ein und begründete diesen u. a. dahingehend, dass ihm aufgrund einer bestehenden chronischen Darmerkrankung in Form einer verzehrenden Erkrankung und gestörter Nährstoffaufnahme ein Mehrbedarf zustehen würde.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 14. September 2016 auf, die diesem Schreiben beigefügte ärztliche Bescheinigung zur Überprüfung des Mehrbedarfes von dem behandelnden Arzt ausgefüllt sowie unterschrieben bis zum 28. September 2016 einzureichen und wies dabei auf eine etwaige Versagung der Leistung bei fehlender Mitwirkung hin.
Die behandelnde Ärztin des Klägers füllte die beigefügte ärztliche Bescheinigung am 26. September 2016 aus, ohne ihn erneut zu untersuchen, und berechnete gegenüber dem Kläger hierfür Kosten in Höhe von 10,00 €. Der Kläger glich diese Kosten aus.
Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten mit Antrag vom 10. Oktober 2016 die Übernahme der entstandenen Kosten in Höhe von 10,00 €.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 ab, da diese Kosten aus dem Regelbedarf zu übernehmen seien. Eine spezielle Regelung zur Übernahme der begehrten Kosten sei im SGB II nicht gegeben.
Ebenso lehnte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 12. Oktober 2016 die Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwendige Ernährung ab.
Der Kläger legte mit anwaltlichen Schreiben vom 08. November 2016 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. Oktober 2016 ein. Eine Übernahme sei gemäß § 65 a SGB I in Verbindung mit § 62 SGB I gegeben, da es sich bei der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung um ein entsprechendes Verlangen einer ärztlichen Untersuchung handele.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 06. März 2017 den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Übernahme der begehrten Kosten nach § 65 a SGB I in Verbindung mit § 62 SGB I sei nicht gegeben, da es sich bei den Kosten für das Ausstellen eines Attests nicht um eine Untersuchung im Sinne der Norm handele, sondern nur um ein Bestätigen von einer in der Vergangenheit getroffenen Diagnose.
Mit Klage, eingegangen bei Gericht am 29. März 2017, verfolgt der Kläger sein Begehr weiter.
Er ist der Ansicht, die entstandenen Kosten seien übernahmefähig, da dem Ausfüllen der ärztlichen Bescheinigung eine ärztliche Begutachtung vorzugehen habe, ob die getroffene Diagnose noch zutreffe.
Weiterhin sei auch ein Erstattungsanspruch gemäß § 21 Abs. 3 S. 4 SGB X in Verbindung mit § 670 BGB gegeben. Die Kosten seien im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung der Beklagten entstanden und daher zu übernehmen. Der Kläger habe dahingehend einen Auftrag für die Beklagte ausgeführt. Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 21 SGB II seien im Rahmen der Auslegung der Übernahmefähigkeit mit heranzuziehen. Diese Ansicht vertrete auch die Bundesagentur für Arbeit.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger entstandene Attestgebühren in Höhe von 10,00 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt auf die Begründung des Ablehnungs- und Widerspruchsbescheides Bezug und tritt einer Kostenübernahme entgegen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind ...