Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung. Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten. Anforderung an die Rechtmäßigkeit eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Bestimmung der Angemessenheit von Heizkosten
Orientierungssatz
1. Die Aufteilung des Zuständigkeitsbereichs eines Trägers der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend der Mittelbereiche des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) ist eine sachlich geeignete Basis zur Bestimmung der Vergleichsräume, die einem schlüssigen Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze von Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherungsleistungen zugrunde gelegt werden sollen.
2. Für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze von Unterkunftskosten ist der Grundsicherungsträger nicht dazu verpflichtet, auf die Angaben in einem qualifizierten Mietspiegel als Datenbasis zu den Wohnungsmarktdaten zurückzugreifen. Vielmehr ist er grundsätzlich in der Entscheidung über die Datengrundlage frei. Sicherzustellen ist insoweit lediglich, dass die Datenerhebung Neuvertrags- und Bestandsmieten erfasst und die Daten zudem ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes im jeweiligen Vergleichsraum liefern. Zudem ist die Methode der Datenerhebung im Konzept darzulegen.
3. Für die Ermittlung von Angebotsmieten als notwendige Daten zum Wohnungsmarkt bei der Erstellung eines schlüssigen Konzepts genügt die Einbeziehung von Wohnungsmarktinformationen aus Neuvermietungen von Wohnungen. Eine Auswertung auch von aktuellen Wohnungsinseraten in Medien ist nicht erforderlich.
4. Beziehen die für ein schlüssiges Konzept zur Angemessenheitsbestimmung von Unterkunftskosten erhobenen Daten 10% des für die Ermittlung relevanten Wohnungsbestandes im Vergleichszeitraum ein, ist von der Validität der Daten und einer ausreichend großen Repräsentativität auszugehen.
5. Die Angemessenheit von Heizkosten im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist jeweils konkret-individuell zu prüfen. Grenzwerte für die Angemessenheitsbestimmung kommt damit jeweils nur eine Indizwirkung zu, die im Einzelfall widerlegt werden kann. Weicht der Heizaufwand eines Grundsicherungsempfängers dabei erheblich vom Durchschnitt vergleichbarer Haushalte ab, obliegt dem Grundsicherungsempfänger die Darlegungslast, dass die Aufwendungen noch angemessen sind.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Kern über die Frage, ob das Konzept der Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Landkreis Harz den gesetzlichen und höchstrichterlichen Anforderungen entspricht.
Die Klägerin erhielt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Streitgegenständlich ist der Bewilligungszeitraum von Februar 2015 bis Juni 2015.
Die Klägerin wohnte in Wernigerode in einem Zwei-Personen-Haushalt. Die tatsächlichen Aufwendungen für ihre Unterkunft lagen bei 350,71 Euro monatlich. Die tatsächlichen Aufwendungen für die Heizung lagen bei 101,84 Euro monatlich.
Die Klägerin wurde bereits mit dem Umzug in diese Wohnung im Jahr 2008 auf die unangemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten hingewiesen.
Mit dem Bescheid vom 30.12.2015 wurden vorherige Bewilligungsbescheide mit Wirkung vom 01.02.2015 bis 30.06.2015 teilweise aufgehoben. Es wurden Unterkunftskosten in Höhe von 308,00 Euro und Heizungskosten in Höhe von 90,85 Euro anerkannt. Die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung lehnte die Beklagte unter Verweis auf ihre Angemessenheitsgrenze ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 30.12.2015 verwiesen (Bl. 6 ff. d. A.).
Der Bescheid wurde der Klägerin am 02.01.2016 bekanntgegeben.
Die Klägerin legte am 01.02.2016 Widerspruch ein.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 27.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen (Bl. 4 ff. d. A.).
Am 10.08.2016 hat die Klägerin Klage erhoben.
Im laufenden Klageverfahren hat die Beklagte ihr Konzept nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.01.2019 (B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 10/18 R) nachgebessert. Auf Grundlage dieses Konzept ist am 09.04.2020 eine neue Richtlinie zur Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung in Kraft getreten. Es wird Bezug genommen auf die Richtlinie vom 09.04.2020 sowie das Konzept 2012 und dessen Fortschreibung 2014 nach dem Korrekturbericht vom Februar 2020.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Konzept der Beklagten sei nicht schlüssig. Insbesondere sei die Datenerhebung nicht nachvollziehbar; an der Repräsentativität sowie Validität fehle es ebenfalls. Die Heizungskosten seien nicht unangemessen, weil das Wohnhaus nur unzureichend gedämmt wäre und die Klägerin sowie ihr Ehe...