Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopferentschädigung. Doping im DDR-Hochleistungssport. minderjährige Ruderin. anabole Steroide. Wirbelsäulenschäden durch exzessives Training unter Einwirkung von Oral-Turinabol. ursächlicher Zusammenhang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verabreichung von Dopingmitteln an eine minderjährige Hochleistungssportlerin in der ehemaligen DDR stellt einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iSd § 10a OEG iVm § 1 Abs 1 S 1 OEG dar.

2. Soweit Schädigungen an der Wirbelsäule auf den durch die Einnahme von Oral-Turinabol verursachten bzw verstärkten Extrembelastungen im Hochleistungssport beruhen, können diese als Schädigungsfolge nach dem OEG anerkannt werden.

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2010 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung

a) einer hochgradigen Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule nach Bandscheibenersatz und Fusion mit Nackenkopfschmerz und zervikaler Migräne mit typischer Aura und einer Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit einem Einzel-GdS von 50,

b) einer Ulkuskrankheit mit einem Einzel-GdS von 10,

als Schädigungsfolgen ab dem 01.02.2007 eine Beschädigtenversorgung nach einem Gesamt-GdS von 60 gewähren. Der Anspruch ist ab dem 01.10.2007 mit 4 v.H. zu verzinsen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt 60% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Die am ... 1963 geborene Klägerin war in der ehemaligen DDR in der Zeit vom 01.09.1976 bis 30.04.1982 Hochleistungssportlerin in der Abteilung Rudern des SC D. B ... Gleichzeitig war sie Schülerin an der Kinder- und Jugendsportschule B. vom 01.09.1976 bis zum 03.07.1979. Sie nahm erfolgreich an vielen nationalen und internationalen Wettkämpfen teil.

Vom 30.06. bis 11.07.1980 musste sie sich wegen einer Bandscheibenvorwölbung in stationäre Behandlung begeben. In der Epikrise hierzu wird ausgeführt, dass sich bei der klinischen Untersuchung eine Steilstellung der Lendenwirbelsäule (LWS) mit einer Einschränkung der Ventralflexion ohne Sensibilitätsstörung und ohne motorische Ausfälle gezeigt habe. Vom 24.07. bis 17.08.2000 befand sie sich in stationärer Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie der M.-L.-U H.-W ... In der Epikrise hierzu wird eine schwer degenerativ veränderte Wirbelsäule diagnostiziert. Prof. Dr. B. von der Klinik für Neurochirurgie führt in seinem Befund vom 04.08.2000 ergänzend aus, dass die Klägerin auch an Nackenkopfschmerzen nach einer Halswirbelsäulen-Manualtherapie, einer Migräne mit typischer Aura und rezidivierenden Lumboischialgien leide. In seinem Gutachten vom 16.01.2002 führt Prof. Dr. B. für die D.-W.-Lebensversicherung aus, dass die Klägerin unter starken Schmerzen im Halswirbelsäulebereich leide. Die Beschwerden seien i.S.v. Nackenschmerzen zu beschreiben, die über den Hinterkopf, in Richtung des gesamten Gesichtsschädels hin ausstrahlen und mit Übelkeit, Brechreiz, Sehstörungen und Schwindel verbunden seien. Insbesondere die Drehbewegungsfähigkeit der Halswirbelsäule (HWS) sei beeinträchtigt und schmerzhaft. Zusätzlich bestünden Schmerzen im Bereich der LWS. Die angegebenen Beschwerden seinen i.S. eines zervikocephalen Syndroms auf der Basis degenerativer Veränderungen der HWS zu bewerten. Hinsichtlich der Kopfschmerzattacken sei zusätzlich an das Vorliegen einer klassischen zervikalen Migräne zu denken. Das Schmerzerleben werde durch eine psychogene Komponente mitgeprägt. Der Beschwerdekomplex zeige tendenziell über längere Sicht betrachtet eine Verschlechterungstendenz. Die Klägerin sei als selbstständige Handelsvertreterin und als Einkäuferin und Filialleiterin im Einzelhandel mit mehr als 50 % berufsunfähig. In einem ärztlichen Gutachten des arbeitsmedizinischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 01.03.2002 wird ausgeführt, dass bei der Klägerin erhebliche gesundheitliche Einschränkungen im physischen und psychischen Bereich vorliegen. Sie klage vordergründig über Migräneanfälle, die schon bei leichten Drehbewegungen der HWS ausgelöst werden. Die Kopfschmerzattacken seien mit vegetativen Störungen verbunden. Darüber hinaus lägen ein allgemeiner psychovegetativer Erschöpfungszustand und ein Wirbelsäulenleiden vor. Sie sei nach Aussteuerung durch die Krankenkasse noch nicht wieder in der Lage, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen.

Am 15.01.2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf finanzielle Hilfe nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz (DOHG). In dem Antrag gab sie an, dass ihr Anabolika als Vitamintabletten verabreicht worden seien. Darüber hinaus habe sie Vitamin B 17 mit Eiweißzusatzstoffen zu sich nehmen müssen, wobei die Zusammensetzung unbekannt gewesen sei. 1981 habe Sie eine Infusion mit unbekanntem Inhalt erhalten. Der Facharzt für Neurochirurgie PD Dr. H. von de...

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