Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Bewilligung als (konkludenter) Dauerverwaltungsakt. Unzulässigkeit einer befristeten Gewährung. Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs durch erste ärztliche Feststellung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewilligung von Krankengeld stellt dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 - Rn 33). Bei einer durch Auszahlung konkludent verfügten Bewilligung von Krankengeld ist grundsätzlich von einer unbefristeten Bewilligung auszugehen.
2. Die befristete (zeitabschnittsweise) Bewilligung von Krankengeld ist mangels einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 SGB X nicht zulässig (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 - Rn 44 ff; entgegen BSG vom 16.9.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr 103 - Rn 16 ff).
3. Solange Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, genügt für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs 1 S 1 SGB V) bzw Wegfall (§ 51 Abs 3 S 1 SGB V) des Anspruchs eine erste ärztliche Feststellung. § 46 S 1 Nr 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs (Fortführung von SG Mainz vom 31.8.2015 - S 3 KR 405/13 - Rn 61 ff; vgl SG Trier vom 24.4.2013 - S 5 KR 77/12 - Rn 21 ff; SG Mainz vom 24.9.2013 - S 17 KR 247/12 - Rn 32 ff, SG Speyer vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn 39 ff und vom 7.4.2014 - S 19 KR 10/13 - Rn 43 ff; SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 298/12 - Rn 48 ff; LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 146/14 - Rn 22 ff, L 16 KR 429/13 - Rn 26 ff, L 16 KR 160/13 - Rn 25 ff, L 16 KR 208/13 - Rn 24 ff; SG Speyer vom 8.9.2014 - S 19 KR 519/14 ER - Rn 31 ff und vom 3.3.2015 - S 19 KR 10/15 ER - Rn 33 ff; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 - Rn 41 ff, und vom 30.11.2015 - S 19 KR 409/14 - Rn 59 ff sowie S 19 KR 160/15 - Rn 78 ff; Knispel, NZS 2014, S 561 ff; Schröder, ASR 2015, S 160 f; entgegen ua BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 35/14 R; B 1 KR 37/14 R = BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Auszahlung von Leistungen durch den Beigeladenen für den gleichen Zeitraum gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1985 geborene Klägerin war als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt. Zum 30.09.2013 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt.
Am 30.09.2013 wurde bei der Klägerin durch die Gemeinschaftspraxis Dres…, Ärzte für Allgemeinmedizin, unter Verwendung des von den Krankenkassen hierfür vorgesehenen Formulars im Wege einer so genannten Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 06.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.
Am 06.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … eine “Folgebescheinigung„ ausgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code G56.0 V (Verdacht auf Karpaltunnel-Syndrom) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 11.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.
Am 11.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.
Am 29.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 04.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.
In einem “Auszahlschein„ vom 04.11.2013 bestätigte die Praxis Dr. …, dass noch Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Neben der bereits bekannten Diagnose G56.0 V wurde die Diagnose M54.4 G (Lumboischialgie, gesichert) angegeben. Die Frage, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen werde, wurde nicht beantwortet. Der nächste geplante Praxisbesuch wurde für den 08.11.2013 angegeben.
Eine weitere Folgebescheinigung wurde am 07.11.2013 durch die Praxis Dres. auf Grund der Diagnose M15.9 (Polyarthrose, nicht näher bezeichnet) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.09.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 15.11.2013 ar...