Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Pflicht zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur. Honorarkürzung bei Nichtanbindung. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Orientierungssatz
Die den Vertragsärzten auferlegte Pflicht zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) bzw die Sanktionierung der Nichtanbindung durch Honorarkürzung verstößt weder gegen die Datenschutzgrundverordnung (juris: EUV 2016/679) noch gegen das GG.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht eine Honorarkürzung aufgrund der Nichtanbindung der Klägerin an die Telematikinfrastruktur (TI) und die damit verbundene Nichtdurchführung des Versichertenstammdaten-Abgleichs (VSD-Abgleich) im Quartal 1/2019 in Streit.
Zum 01.01.2019 hat der Gesetzgeber in den §§ 291 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Grundlage zur Verpflichtung aller Vertragsärzte zur Anbindung an die TI festgesetzt. Die TI verfolgt ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien den Zweck, alle Beteiligten im Gesundheitswesen besser miteinander zu vernetzen. Ziel ist es, einen schnelleren, umfassenderen und effektiveren Zugriff auf medizinische Informationen als bisher zu erhalten, was der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zugutekommen soll (vgl. BT-Drs. 17/2170, S. 38).
Die TI ist ein geschlossenes Netz, zu dem nur registrierte Nutzer mit elektronischem Ausweis Zugang erhalten. Es soll damit eine Kommunikationsinfrastruktur im Gesundheitswesen zum sicheren Austausch wichtiger medizinischer Daten geschaffen werden. Nach § 291 SGB V umfasst der Personenkreis der Leistungserbringer, für die eine Anbindung an die TI verpflichtend ist, auch die Vertragsärzte. Diese sind verpflichtet, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Dienste zur Prüfung von Gültigkeit und Aktualität der Versichertendaten nach § 291 Abs. 1, 2 SGB V nutzen zu können. Dazu muss der Vertragsarzt technisch den VSD-Abgleich durchführen können. Die zur Anwendung an die TI erforderlichen technischen Komponenten zur Herstellung der Funktionsfähigkeit ergeben sich aus § 2 der Anlage 32 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä).
Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer sind gemäß § 291 Abs. 2b Satz 3 SGB V verpflichtet, den VSD-Abgleich bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal durchzuführen und dies gegenüber der Beklagten mit den Abrechnungsunterlagen nachzuweisen.
Aus § 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V folgt, dass den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern, die diese Prüfung ab dem 01.01.2019 nicht durchführten, die Vergütung vertragsärztliche Leistungen pauschal um ein Prozent solange zu kürzen ist, bis sie die Prüfung durchführten. Davon ist bis zum 30.06.2019 abzusehen, wenn die Leistungserbringer nachweisen, dass sie bereits vor dem 01.04.2019 die Anschaffung der erforderlichen Ausstattung vertraglich vereinbart haben.
Die Klägerin ist als gynäkologische Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in Mainz zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an die TI angebunden war.
Mit Bescheid vom 29.07.2019 kürzte die Beklagte daraufhin das vertragsärztliche Honorar der Klägerin für das Quartal 1/2019 um ein Prozent, somit aufgrund des kürzungsrelevanten GKV-Gesamthonorars in Höhe von insgesamt 56.924,24 EUR um 569,24 EUR.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.08.2019 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass sie nach ihrem derzeitigen Kenntnisstand bei einem Anschluss an die TI zwangsläufig gegen Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen und sich somit strafbar machen würde. Wenn sie sich ans Internet anschließen würde, könne sie die Patientendaten nicht hinreichend sichern. Diese Datenschutzfolgeabschätzung hätte sie an den zuständigen Datenschutzbeauftragten übermittelt. Eine rechtsverbindliche Antwort stehe noch aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der erfolgte Honorarabzug sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe im streitbefangenen Zeitraum weder Prüfungen iSd § 291 Abs. 2b S. 3 SGB V durchgeführt, noch habe sie einen Nachweis für die Bestellung der hierfür erforderlichen Komponenten bis zum 31.03.2019 erbracht. Ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht sei - wie das SG München mit Beschluss vom 22.03.2019 bereits festgestellt habe (S 38 KA 52/19 ER) - nicht ersichtlich. Die Regelungen der Ausgestaltung und Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte seien mit höherrangigem Recht vereinbar.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 18.09.2020 die hier vorliegende Klage zum Sozialgericht Mainz erhoben. Diese begründet sie wie folgt:
Der streitbefangene Bescheid sei aufzuheben, da die seitens des Ge...