Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Honorarkürzung wegen Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur im Quartal 1/2019. kein Verstoß gegen Datenschutzrecht und Berufsausübungsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
Eine einprozentige Honorarkürzung bei einem Vertragsarzt, der den Anschluss an die Telematikinfrastruktur im Quartal 1/2019 nicht durchgeführt hat, ist rechtmäßig. § 291 Abs 2b S 3, S 14 SGB V aF verstoßen weder gegen Vorschriften der DSGVO (juris: EUV 2016/679) noch gegen die Berufsausübungsfreiheit.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht eine Honorarkürzung aufgrund der Nichtanbindung des Klägers an die Telematikinfrastruktur (TI) und die damit verbundene Nichtdurchführung des Versichertenstammdaten-Abgleichs im Quartal 1/2019 in Streit.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in S. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Schreiben vom 30.07.2019 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die zur Anbindung an die TI benötigten Komponenten nicht bestellt worden seien.
Mit Bescheid vom 16.08.2019 kürzte die Beklagte daraufhin das vertragsärztliche Honorar des Klägers für das Quartal 1/2019 um ein Prozent, somit aufgrund des kürzungsrelevanten GKV-Gesamthonorars in Höhe von insgesamt 42.158,07 € um 421,58 €. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gesetzgeber habe in den §§ 291 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Grundlage zur Verpflichtung aller Vertragsärzte zur Anbindung an die TI bis zum 01.01.2019 festgesetzt. Die TI sei gemäß den Vorgaben des Gesetzgebers geschaffen worden, um alle Beteiligten im Gesundheitswesen besser miteinander zu vernetzen. Ziel sei es, einen schnelleren, umfassenderen und effektiveren Zugriff auf medizinische Informationen als bisher zu erhalten, was der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zugutekomme. Die TI sei ein geschlossenes Netz, zu dem nur registrierte Nutzer mit elektronischem Ausweis Zugang erhielten. Es solle damit eine Kommunikationsinfrastruktur im Gesundheitswesen zum sicheren Austausch wichtiger medizinischer Daten geschaffen werden. Nach § 291 SGB V umfasse der Personenkreis der Leistungserbringer, für die eine Anbindung an die TI verpflichtend sei, auch die Vertragsärzte. Die Leistungserbringer seien verpflichtet, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Dienste zur Prüfung von Gültigkeit und Aktualität der Versichertendaten nach § 291 Abs. 1, 2 SGB V nutzen zu können. Dazu müsse der Vertragsarzt technisch den VSD-Abgleich durchführen können. Die zur Anwendung an die TI erforderlichen technischen Komponenten zur Herstellung der Funktionsfähigkeit ergäben sich aus § 2 der Anlage 32 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer seien gemäß § 291 Abs. 2b Satz 3 SGB V verpflichtet, den VSD-Abgleich bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal durchzuführen und dies gegenüber der Beklagten mit den Abrechnungsunterlagen nachzuweisen. Aus § 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V folge, dass den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern, die diese Prüfung ab dem 01.01.2019 nicht durchführten, die Vergütung vertragsärztliche Leistungen pauschal um ein Prozent solange zu kürzen sei, bis sie die Prüfung durchführten. Davon sei bis zum 30.06.2019 abzusehen, wenn die Leistungserbringer nachwiesen, dass sie bereits vor dem 01.04.2019 die Anschaffung der erforderlichen Ausstattung vertraglich vereinbart hätten.
Der Kläger gehöre als Facharzt für Allgemeinmedizin mit einem vollen Versorgungsauftrag zu den Leistungserbringern, deren Anbindung an die TI nach § 291 Abs. 2b Satz 3 SGB V verpflichtend sei. Er habe mit Schreiben vom 26.07.2019 bzw. 30.07.2019 rechtsverbindlich erklärt, die erforderlichen TI-Komponenten nicht bestellt zu haben. Daraus resultiere, dass mangels technischer Gegebenheiten auch der Abgleich der VSD ab dem 01.01.2019 nicht erfolgt sei. Daher werde die Vergütung auf Grundlage des § 291 Abs. 2b SGB V ab dem 01.01.2019 pauschal um ein Prozent gekürzt. Aufgrund der Erklärung, dass die Ausstattung nicht bestellt worden sei, könne auch von der Kürzung der Vergütung nicht bis zum 30.06.2019 abgesehen werden. Die kürzungsrelevante Vergütung sei das GKV-Honorar ohne Labor, ohne Kosten, ohne Wegegebühr und ohne Notfalldienste aus den Notfalldienstpraxen. Der pauschale Abzug betrage somit 421,58 € und werde voraussichtlich im nächsten Honorarbescheid für das Quartal 2/2019 belastet.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten am 20.09.2019 Widerspruch ein. In der Folge führte er zur Begründung aus, die seitens des Gesetzgebers auferlegte Pflicht zur Durchführung des Versichertenstammdaten (VSD)-Abgleichs mit den derzeit von der G. zugelassenen Telematik-Komponenten-Mode...