Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Wirksamkeit. Vorstandswahl. Wahlanfechtungsklage. Anfechtungsgegenstand
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festlegung des Termins zur Durchführung der Wahl zum Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) stellt eine innerorganisatorische Regelung dar, die - wenn abweichende Bestimmungen weder in der Wahlordnung gemäß § 81 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 5 noch einer Geschäftsordnung enthalten sind - grundsätzlich von der Vertreterversammlung durch Mehrheitsbeschluss erfolgen kann.
2. Weder aus den Vorschriften der §§ 80, 81 SGB 5 noch den sich aus Art 38 Abs 1 S 1 GG ergebenden allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen folgt eine bestimmte Frist zur Ladung der Mitglieder der Vertreterversammlung.
3. Die Mitglieder der Vertreterversammlung einer KÄV üben ein öffentliches Mandat aus. Sie sind daher grundsätzlich zur Teilnahme an den Sitzungen der Vertreterversammlung verpflichtet. Die Ladung der Mitglieder zu den Sitzungen dient der Sicherstellung der Beschlussfähigkeit des Organs. Zivilrechtliche Regelungen - etwa aus dem Vereins- oder Wohnungseigentumsrecht - sind auf Beschlüsse von Vertreterversammlung und KÄVen daher grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar.
4. Die Vorauswahl von Bewerbern für Vorstandsämter in einer KÄV durch einen hiermit durch die Vertreterversammlung beauftragten Vertragsausschuss verstößt jedenfalls dann nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, wenn die Vorauswahl durch die Vertreterversammlung mit Mehrheitsbeschluss gebilligt wird.
5. Die Wahlordnung einer KÄV gemäß § 81 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 5 hat das wesentliche Wahlverfahren zu regeln. Hierzu gehört insbesondere die Festlegung der zur Wahl erforderlichen Mehrheit. Einzelheiten zum Verfahrensablauf, wie zB der Festlegung des Termins, der Ladung zu den Sitzungen, der Aufstellung der Tagesordnung und der Auswahl und Vorstellung der Bewerber können durch die Vertreterversammlung demgegenüber in einer Geschäftsordnung geregelt werden.
Orientierungssatz
Anfechtungsgegenstand einer sozialrechtlichen Wahlanfechtungsklage ist allein die Wahl selbst (vgl BSG vom 16.12.2003 - B 1 KR 26/02 R = BSGE 92, 59 = SozR 4-2400 § 48 Nr 1).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl zum Vorstand der Beklagten zu 1. im Rahmen der Sitzung der Beklagten zu 2. am 13./14.10.2004.
Die Beklagte zu 1. ist die zum 01.01.2005 neu gegründete Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz. Die Kläger sind gewählte Mitglieder der Beklagten zu 2., die als Vertreterversammlung (VV) nach § 79 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) eines der Selbstverwaltungsorgane der Beklagten zu 1. ist. Nach Art. 35 § 3 GKV-Modernisierungsgesetz (BGBl. I 2003, 2256) hatte die Beklagte zu 2. bis zum 01.12.2004 den neuen Vorstand der Beklagten zu 1. zu wählen. In diesem Zusammenhang hatte das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit Rheinland-Pfalz am 23.03.2004 im Wege der Rechtsaufsicht eine Organisationsregelung zur Zusammenlegung der bisherigen Kassenärztlichen Vereinigungen Koblenz, Pfalz, Trier und Rheinhessen, sowie eine Hauptsatzung und eine Wahlordnung erlassen.
Am 11.09.2004 fand die gemäß § 7 Abs. 5 Satz 4 der genannten Hauptsatzung vorgeschriebene konstituierende Sitzung der Beklagten zu 2. statt. Entsprechend § 7 Abs. 18 Satz 2 Hauptsatzung bildete die Beklagten zu 2. in der konstituierenden Sitzung einen Vertragsausschuss, der gemäß Satz 1 u. a. für den Abschluss der Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern zuständig ist. Der Ausschuss hat Vorschlagsrechte (Satz 3). Er klärt, ob ein Bewerber aus seiner Sicht die Voraussetzungen für ein Vorstandsamt erfüllt (Satz 4). § 7 Abs. 18 S. 5 und 6 Hauptsatzung haben folgenden Wortlaut: “Er [der Vertragsausschuss] trägt vor der Vorstandswahl das Ergebnis seiner Klärung der Vertreterversammlung vor. Der Bewerber hat die Möglichkeit, sich hierzu zu äußern.„
Auf die öffentliche Ausschreibung der Vorstandsposten meldeten sich 84 Bewerber. Der Vertragsausschuss prüfte die Bewerbungen nach den beiden Kriterien “profunde Kenntnisse in der vertragsärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz„ und “einschlägige Erfahrungen durch Tätigkeiten in vertragsärztlichen Gremien„, und stufte die Bewerber sodann in die Kategorien “nähere Auswahl / noch unklar / nicht geeignet„. Die 11 als geeignet eingestuften Bewerber, wurden telefonisch und schriftlich gebeten, sich in der Sitzung der Beklagten zu 2. am 13.10.2004 vorzustellen und Fragen zu beantworten.
In der nächsten Sitzung, die am 13./14. Oktober 2004 stattfand, wurde die Wahl des Vorstandes der Beklagten zu 1. durchgeführt. In dieser Sitzung waren alle 40 Mitglieder der Beklagten zu 2. anwesend, wobei der Kläger zu 6., Herr Dr. G und Herr Dr. K durch ihre Stellvertreter vertreten wurden. Die an die Mitglieder der Beklagten zu 2. - unter anderem die Kläger - versandte Ladung zur Sitzung am 13.10.2004 wa...