Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche/vertragszahnärztliche Versorgung. MKG-Chirurg. statistische Wirtschaftlichkeitsprüfung. Vergleichsgruppe
Leitsatz (amtlich)
Eine aus einem Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der sowohl zur vertragsärztlichen als auch als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist, und drei Vertragszahnärzten bestehende Gemeinschaftspraxis kann im Rahmen einer statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung des konservierend-chirurgischen Bereichs mit der Vergleichsgruppe aller Zahnärzte verglichen werden, soweit für den Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie die Vergleichswerte der ebenfalls für beide Bereiche zugelassenen Zahnärzte herangezogen werden (hier Gewichtung 1 : 3) und wenn der Beschwerdeausschuss keine Anhaltspunkte dafür sieht, dass sich das Behandlungsverhalten und die Behandlungsweise der Praxis von der Typik der MKG-Chirurgen oder der Vertragszahnärzte wesentlich unterscheidet.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 22.04.2013 wird abgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 85.689,93 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bezogen auf den Gesamtfallwert im konservierend-chirurgischen Bereich in den vier Quartalen I/08 bis IV/08 und bezogen auf 25 PAR-Behandlungen in Höhe von insgesamt 342.759,73 €.
Die Antragstellerin und Klägerin (im Folgenden nur: Klägerin) ist eine Gemeinschaftspraxis mit vier zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzten. Herr Dr. C. ist Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt. Er ist als Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die übrigen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis sind Zahnärzte. Der Beklagte und Antragsgegner (im Folgenden nur: Beklagte) ist der Gemeinsame Beschwerdeausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen.
Im Rahmen einer Auffälligkeitsprüfung führte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale und des Quartal II/09 durch.
Die Prüfungsstelle lud die Klägerin unter Datum vom 09.06.2011, zugegangen am 10.06.2011, zu einer Prüfsitzung am 11.08.2011 unter Übersendung einer Patientenliste mit der Aufforderung, Behandlungsunterlagen bis zum 04.07.2011 einzureichen. Die Klägerin wies auf den Umfang der Unterlagen hin, die sie erst im August einreichen könne. Daraufhin lud die Prüfungsstelle die Klägerin unter Datum vom 14.07.2011, zugegangen am 19.07.2011, zu einer Prüfsitzung am 12.10.2011 unter der Aufforderung, Behandlungsunterlagen bis zum 02.09.2011 einzureichen. Ein Vertagungsersuchen wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin lehnte die Prüfungsstelle zunächst mit Schreiben vom 29.08.2011 ab, lud dann aber die Klägerin zu zwei Prüfsitzungen am 12.10.2011 und 15.02.2012, an der jeweils ein Mitglied der Klägerin teilnahm.
Mit Bescheid vom 08.03.2012 setzte die Prüfungsstelle für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 223.783,84 € fest - davon entfielen 213.799,33 € auf den konservierend-chirurgischen Bereich und 9.984,51 € auf Absetzungen in 23 Parodontopathiebehandlungen -, die sie unter Berücksichtigung des HVM-Einbehalts auf 189.374,72 € reduzierte. Sie kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,5- fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm sie folgende Honorarreduzierungen vor:
|
I/08 |
um |
53.492,11 € |
II/08 |
um |
61.427,08 € |
III/08 |
um |
56.722,14 € |
IV/08 |
um |
42.158,00 € |
Zur Begründung führte sie aus, von einer ordnungsgemäßen Dokumentation könne nicht ausgegangen werden. Bei der Nr. 03 BEMA fehle die Angabe der Uhrzeit. Es seien lediglich Auflistungen von Abrechnungskürzeln zu den namentlich benannten Behandlungsfällen vorgelegt worden. Im Rahmen der Anhörung sei dem Prüfungsausschuss ein Einblick in die mitgeführten Patientenakten nicht gestattet worden. Lediglich Aufzeichnungen zu histologischen Befunden seien in einigen Fällen zur Einsichtnahme gereicht worden. Die Auskünfte, die anhand der mitgeführten Patientenakten erteilt worden seien, seien vielfach gleichlautend, teilweise bereits bevor die Patientenakte richtig geöffnet worden sei, erfolgt. In einigen Fällen seien Auskünfte unter Hinweis darauf, dass der Fall von Kollegen behandelt worden sei, überhaupt nicht möglich gewesen. Die Überprüfung der versichertenbezogenen Stichprobe habe u. a. gezeigt, dass umfangreiche chirurgische Eingriffe vielfach ohne entsprechende röntgendiagnostische Maßnahmen abgerechnet worden seien, sodass eine Überprüfung im Einzelfall bereits aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Er habe eine sta...