Entscheidungsstichwort (Thema)
Statistische Wirtschaftlichkeitsprüfung. MKG-Chirurg. konservierend chirurgischer Bereich. fiktive Vergleichsgruppe. Ablehnung. Antrag auf Nachreichung weiterer Dokumentationen. kein Verstoß gegen rechtliches Gehör. Praxisbesonderheiten. Vortrag im Verwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Eine aus einem Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der sowohl zur vertragsärztlichen als auch als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist, und drei Vertragszahnärzten bestehende Gemeinschaftspraxis kann im Rahmen einer statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung des konservierend-chirurgischen Bereichs mit einer fiktiven Vergleichsgruppe entsprechender Gemeinschaftspraxen verglichen werden, wenn eine Gewichtung der Vergleichswerte für Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und für Zahnärzte nach der Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis erfolgt (hier Gewichtung 1 : 3) und wenn der Beschwerdeausschuss keine Anhaltspunkte dafür sieht, dass sich das Behandlungsverhalten und die Behandlungsweise der Praxis von der Typik der MKG-Chirurgen oder der Vertragszahnärzte wesentlich unterscheidet (vgl bereits SG Marburg vom 15.3.2013 - S 12 KA 255/13 ER - und LSG Darmstadt vom 8.8.2013 - L 4 KA 29/13 B ER -).
Orientierungssatz
1. Die Ablehnung eines Antrags auf Nachreichung weiterer Dokumentationen verstößt nicht gegen das rechtliche Gehör.
2. Praxisbesonderheiten sind grundsätzlich im Verwaltungsverfahren vorzutragen (vgl zuletzt BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B mwN).
3. Az beim LSG: L 4 KA 1/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bezogen auf den Gesamtfallwert in den vier Quartalen I/08 bis IV/08 in Höhe von insgesamt 342.759,73 €.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A1 ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr A2 ist Zahnarzt, und Frau Dr. A3 ist Zahnärztin. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Im Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2008 gehörte der Gemeinschaftspraxis noch die ebf. zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassene Zahnärztin Frau C. an. Der Beklagte ist der Gemeinsame Beschwerdeausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen.
Im Rahmen einer Auffälligkeitsprüfung führte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale durch.
Die Prüfungsstelle lud die Klägerin unter Datum vom 09.06.2011, zugegangen am 10.06.2011, zu einer Prüfsitzung am 11.08.2011 unter Übersendung einer Patientenliste mit der Aufforderung, Behandlungsunterlagen bis zum 04.07.2011 einzureichen. Die Klägerin wies auf den Umfang der Unterlagen hin, die sie erst im August einreichen könne. Daraufhin lud die Prüfungsstelle die Klägerin unter Datum vom 14.07.2011, zugegangen am 19.07.2011, zu einer Prüfsitzung am 12.10.2011 unter der Aufforderung, Behandlungsunterlagen bis zum 02.09.2011 einzureichen. Ein Vertagungsersuchen wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin lehnte die Prüfungsstelle zunächst mit Schreiben vom 29.08.2011 ab, lud dann aber die Klägerin zu zwei Prüfsitzungen am 12.10.2011 und 15.02.2012, an der jeweils ein Mitglied der Klägerin teilnahm.
Mit Bescheid vom 08.03.2012 setzte die Prüfungsstelle für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 223.783,84 € fest - davon entfielen 213.799,33 € auf den konservierend-chirurgischen Bereich und 9.984,51 € auf Absetzungen in 23 Parodontopathiebehandlungen -, die sie unter Berücksichtigung des HVM-Einbehalts auf 189.374,72 € reduzierte. Sie kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,5-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm sie folgende Honorarreduzierungen vor:
|
I/08 |
um |
53.492,11 € |
II/08 |
um |
61.427,08 € |
III/08 |
um |
56.722,14 € |
IV/08 |
um |
42.158,00 € |
Zur Begründung führte sie aus, von einer ordnungsgemäßen Dokumentation könne nicht ausgegangen werden. Bei der Nr. 03 BEMA fehle die Angabe der Uhrzeit. Es seien lediglich Auflistungen von Abrechnungskürzeln zu den namentlich benannten Behandlungsfällen vorgelegt worden. Im Rahmen der Anhörung sei dem Prüfungsausschuss ein Einblick in die mitgeführten Patientenakten nicht gestattet worden. Lediglich Aufzeichnungen zu histologischen Befunden seien in einigen Fällen zur Einsichtnahme gereicht worden. Die Auskünfte, die anhand der mitgeführten Patientenakten erteilt worden seien, seien vielfach gleichlautend, teilweise bereits, bevor die Patientenakte richtig geöffnet worden sei, erfolgt. In einigen Fällen seien Auskünfte unter Hinweis, dass der Fall von Kollegen behandelt worden sei, überhaupt nicht möglich gewesen. Die Überprüfung der versichertenbezogenen Stichprobe habe u....