Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarrückforderung. Praxisgemeinschaft. Berufsausübungsgemeinschaft. Abrechnungssammelerklärung
Leitsatz (amtlich)
Ist für die Behandlung innerhalb einer Praxisgemeinschaft die fachliche Qualifikation oder der gewählte Schwerpunkt des jeweiligen Arztes maßgeblich und wird die Betreuung der Patienten während der OP-Tätigkeit eines Kollegen von den anderen Kollegen vertretungsweise übernommen, so spricht dies für das Führen der Praxis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft. Solche Formen der Arbeitsteilung sind nur innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft möglich.
Orientierungssatz
Eine Abrechnungssammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 61.256,40 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen in Höhe von 61.256,40 € aufgrund von patientenbezogenen Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen der fünf Quartale I/13 bis II/14 mit Ausnahme des Quartals III/13, die die Beklagte insb. mit Hilfe eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft der Klägerin mit Herrn Dr. E. mit einem Anteil gemeinsamer Patienten von 13,40 % und 17,87 % durchgeführt hat.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft mit drei Ärzten und Praxissitz in A-Stadt. Herr Dr. B. ist als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, Herr Dr. A. als Facharzt für Chirurgie und Herr Dr. C. als Facharzt für Chirurgie/Plastische Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Klägerin bildete bis zum 30.06.2014 mit Herrn Dr. E., der als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, eine Praxisgemeinschaft. Seitdem bilden sie eine Berufsausübungsgemeinschaft. Herr Dr. E. beschäftigte in seiner Praxis Herrn F., Facharzt für Kinderchirurgie.
In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin wie folgt fest:
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Quartal |
I/13 |
II/13 |
IV/13 |
Honorar PK/EK/SKT in € |
228.104,73 |
214.904,94 |
203.987,18 |
Fallzahl |
3.404 |
3.340 |
3.007 |
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Quartal |
I/14 |
II/14 |
Honorar PK/EK/SKT in € |
229.096,65 |
225.194,90 |
Fallzahl |
2.990 |
2.923 |
Die Beklagte forderte die Klägerin unter Datum vom 06.10.2016 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale I/13 bis II/14 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung der Klägerin zusammen mit der Honorarabrechnung der Praxis E. in A-Stadt, mit der die Klägerin eine Praxisgemeinschaft bilde, einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte.
Die Klägerin und Dr. E. trugen unter Datum vom 17.11.2016 vor, im Rahmen der Praxisgemeinschaft seien die Organisationsabläufe unter Berücksichtigung einerseits der entsprechenden Schwerpunkttätigkeiten der verschiedenen Kollegen, andererseits der Benutzungsmöglichkeit der OP-Räume und der Praxisräume festgelegt worden. Hinsichtlich der Schwerpunkttätigkeit sei vereinbart worden, dass zum Zweck einer optimalen Patientenversorgung, die Fußchirurgie vom Kollegen A., die Handchirurgie und Dermatochirurgie vom Kollegen B., die Ästhetische und Plastische Chirurgie vom Kollegen C., die Kinderchirurgie vom Kollegen F., die Schulter- und OSG-Arthroskopie und das Gebiet der komplexen Knieverletzung (Kreuzbandruptur, Knorpeltransplantation, usw.) vom Kollegen E. vertreten würden. Weiterhin hätte die Betreuung der Patienten während der OP-Tätigkeit eines Kollegen von den anderen Kollegen vertretungsweise übernommen werden sollen. Der Anteil an identischen Patienten lasse sich durch die Berücksichtigung der Schwerpunkttätigkeit und den festgelegten Organisationsabläufen erklären. Weitere Faktoren seien: Missverständnisse bei der fernmündlichen Abgabe von Terminen, persönlicher Wunsch des Patienten, sich bei einem Kollegen weiterbehandeln zu lassen, obwohl die Überweisung an einen anderen Kollegen ausgestellt sei, persönlicher Wunsch des Patienten, ein zusätzliches Krankheitsbild bei einem entsprechenden schwerpunkttätigen Kollegen behandeln zu lassen. Die Auffälligkeit der Patientenidentität und die Problematik der Praxis-Präsentation bei den einweisenden Kollegen, aber auch bei den Fachkollegen habe sie bewegt, die Praxisgemeinschaft einzustellen und eine Gemeinschaftspraxis zu bilden.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 15.12.201 die strittigen Honorarrückforderungen für die Quartale I/13 bis II/14 mit Ausnahme des Quartals III/13 fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen:
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Quartal |
Honorar in € |
I/13 |
14.347,20 |
II/13 |
10.869,80 |
IV/13 |
12.686,76 |
I/14 |
12.801,60 |