Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Absetzung aller vertragsärztlich abgerechneter Leistungen bei Verstoß gegen das Splittingverbot. einheitlicher Behandlungsfall. Befugnis zur nachgehenden Richtigstellung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kassenärztliche Vereinigung ist bei einem Verstoß gegen das sog Splittingverbot berechtigt, alle vertragsärztlich abgerechneten Leistungen abzusetzen. Es liegt ein einheitlicher Behandlungsfall bei allen Leistungen einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einem MKG-Chirurgen für einen Patienten vor, unabhängig davon, ob sie von der Berufsausübungsgemeinschaft bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung oder vom MKG-Chirurgen separat bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden.
Orientierungssatz
1. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung).
2. Az beim LSG Darmstadt: L 4 KA 30/14
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung für 292 Behandlungsfälle im Quartal III/09 und für 288 Behandlungsfälle im Quartal IV/09 wegen des sog. Splittingverbots in Höhe von insgesamt 35.344,76 Euro bzw. 32.302,24 Euro, insgesamt in Höhe von 67.647,00 Euro.
Der Kläger ist Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt. Er ist als Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist zugleich zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen und führt mit zwei zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzten eine Berufsausübungsgemeinschaft.
Die beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KZVH) nahm mit Bescheid vom 21.03.2013 für das Quartal III/09 eine sachlich-rechnerische Berichtigung gegenüber der Berufsausübungsgemeinschaft des Klägers vor. Sie kürzte das Honorar um 4.098,75 Euro. Diesen Betrag reduzierte sie unter Berücksichtigung des HVM-Einbehaltes für das Jahr 2009 auf 3.517,55 Euro. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen eines elektronischen Datenabgleichs nach § 285 Abs. 3 S. 5 i.V.m. § 106a SGB V habe sie von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), der Beklagten, einen elektronischen Datenträger mit den Abrechnungsdaten für die Abrechnungszeiträume III/09 bis II/10 erhalten. Bei diesem Routineabgleich sei aufgefallen, dass es im Abrechnungszeitraum III/09 in 310 Behandlungsfällen, die sie in einer Patientenliste als Anlage aufführte, zur beidseitigen Abrechnungen gekommen sei. Hierbei sei die Einzelleistungsebene geprüft und seien tagesweise die Leistungen in den betroffenen Behandlungsfällen gegenübergestellt worden. Es sei dabei festgestellt worden, dass in diesen Fällen beiderseits gegen das bundesmantelvertraglich vereinbarte Splittingverbot verstoßen worden sei. Ein einheitlicher Behandlungsfall dürfe danach nur über die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) oder nur über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) abgerechnet werden. Die Abrechnung einzelner Leistungen über die KV schließe die Abrechnung weiterer Leistungen in einem einheitlichen Behandlungsfall über die KZV aus. Die Aufteilung eines einheitlichen Behandlungsfalles in zwei Abrechnungsfälle sei nicht zulässig. Vor Beginn einer Behandlung habe der MKG-Chirurg das Wahlrecht, ob er die Leistungen in seiner Eigenschaft als Arzt oder als Zahnarzterbringer abrechne. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Berichtigungen in den Zuständigkeiten der Beigeladenen und ihr notwendig seien. In den 301 geprüften Behandlungsfällen könne nicht allein nach dem Abrechnungseingang verfahren werden. Sie habe die Berichtigung nach dem Leistungsschwerpunkt des Behandlungsfalles vorgenommen. In 292 Behandlungsfällen habe der Schwerpunkt im Bereich der zahnärztlichen Abrechnung und in neun Behandlungsfällen im Bereich der ärztlichen Abrechnung gelegen. In diesen Fällen seien daher Berichtigungen durch sie vorzunehmen. In den übrigen neun Behandlungsfällen seien keine Datenübereinstimmungen festgestellt worden. Die Fälle mit zahnärztlichem Schwerpunkt habe sie an die Klägerin mit der Bitte um Korrektur der vertragsärztlichen Leistungen weitergeleitet. In den neun strittigen Behandlungsfällen kürzte sie die zahnärztlichen Leistungen mit der Begründung, der gesamte Behandlungsfall sei abgesetzt worden, da gegen das Splittingverbot verstoßen worden sei. Hiergegen legte die Berufsausübungsgemeinschaft des Klägers am 22.04.2013 Widerspruch ein. Sie trug vor, sie habe nicht in einem einheitlichen Behandlungsfall zahnärztliche Leistungen gegenüber der Beigeladenen und ärztliche Leistungen gegenüber der Beklagten abgerechnet. Der Begriff “einheitlicher„ Behandlungsfall werde im BEMA nicht definiert, sondern nur in den Bundesmantelverträgen für Ärzte. Zu berücksichtigen sei auch, dass ...