Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Sprechstundenbedarfsvereinbarung. Verordnung von Mitteln einer Produktgruppe

 

Leitsatz (amtlich)

Zählt die Positivliste einer Sprechstundenbedarfsvereinbarung neben der Nennung einer Produktgruppe (hier "Mittel zur Kryotherapie") zwei konkrete Medizinprodukte (hier Kohlensäureschnee und flüssigen Stickstoff) auf und ist zugleich eine öffnende Formulierung angefügt (hier "oä") ist die Verordnungsfähigkeit von Mitteln der Produktgruppe nicht auf die beiden ausdrücklich genannten Medizinprodukte beschränkt.

 

Tenor

Der Bescheid vom 22.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer Erstattungsforderung der Beklagten gegenüber der Klägerin wegen unzulässiger Verordnung des Medizinprodukts "Histofreezer" als Sprechstundenbedarf im Quartal I/2011.

Die Gesellschafter der Klägerin, Herr Dr. B. und Herr C., sind als Fachärzte für Allgemeinmedizin zugelassen. Herr Dr. B. führt die Zusatzbezeichnungen Betriebsmedizin, Chirotherapie und Sportmedizin. Herr C. führt die Zusatzbezeichnung Akkupunktur. Die Praxis besteht seit dem 01.01.2005.

Die Ärzte verordneten am 28.09.2011 "Histofreezer small St. 3", am 10.01.2011 "Histofreezer small 2P." und am 30.03.2011 "Histofreezer small DDS 170ml St.2" jeweils als Sprechstundenbedarf zu Lasten der AOK Hessen.

Mit Schreiben vom 28.03.2012 und vom 18.09.2012 beantragten die Verbände der Krankenkassen in Hessen die Überprüfung der Sprechstundenbedarfsvereinbarung und ggf. um Festsetzung eines Erstattungsbetrages.

Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2012 über den Antrag hinsichtlich des Quartals III/2011, woraufhin diese mitteilte, Mittel zur Kryotherapie seien im aktuellen Sprechstundenbedarf ausdrücklich aufgeführt und darin Kohlensäureschnee und flüssiger Stickstoff nur beispielhaft aufgeführt. Die Verordnung sei somit lege artis erfolgt.

Mit Bescheid vom 22.11.2013 stellte die Beklagte eine Schadensersatzpflicht in Höhe von 1.525,16 Euro fest.

Zur Begründung führte sie an, die genannten Präparate seien nicht in der im Verordnungszeitraum gültigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung als zu Lasten des Sprechstundenbedarfs verordnungsfähig aufgeführt, weshalb ein Bezug zu Lasten des Sprechstundebedarfes nicht zulässig sei. Beim Histofreezer handele es sich um ein Medizinprodukt. Der Bezug zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei grundsätzlich ausgeschlossen. Auch eine Ausnahme nach Anlage 5 der Arzneimittel. Richtlinien sei nicht gegeben. Es handele sich beim Inhalt der Sprechstundenbedarfsvereinbarung um eine Positivliste. Der Histofreezer sei nicht enthalten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23.12.2012 Widerspruch. Zu dessen Begründung führte sie aus, Mittel zur Kryotherapie seinen im Sprechstundenbedarfsverzeichnis ausdrücklich aufgeführt. Die darin als beispielhaft aufgeführten Alternativen Kohlensäureschnee und flüssiger Stickstoff seien ausdrücklich als mögliche Beispiele genannt, keinesfalls handele es sich hier um eine abschließende Aufzählung, welche den verordneten Histofreezer zwingend als unzulässig ausschließen würde. Eine Sparte "Mittel zur Kältebetäubung der Haut" habe es zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gegeben und sei erst mit Wirkung vom 01.10.2012 zugesetzt worden. Dass das Mittel unter einem Eigennamen vertrieben werde sei auch kein Ausschlussgrund. Darüber hinaus habe die ausliefernde Apotheke die Rechtmäßigkeit des Kostenträgers zu prüfen und trage die Verantwortung für die Umsetzung des Sprechstundenbedarfsrezeptes. Auch sei sie, die Klägerin, erstmals mit Schreiben der Beklagten vom 14.12.2012 auf eine Beanstandung über den Bezug von Sprechstundenbedarf im Quartal III/11 unterrichtet worden. Die Krankenkassen bzw. die Beklagten seien ihrer Pflicht zur Schadensbegrenzung durch unangemessenen Verzug nicht nachgekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 half die Beklagte insoweit ab, dass sie den Ausgangsbescheid bezogen auf die Festsetzung für Quartal III/2011 aufhob. Im Übrigen, also bezogen auf die Festsetzung für das Quartal I/2011, wies sie den Widerspruch zurück.

Zur Begründung führte sie, bezogen auf das Quartal I/2011 aus, die gültige Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung vom 07.11.1994 in der Fassung vom 01.07.2005 regele in § 2 Abs. 1, dass die in den Anlagen zu dieser Vereinbarung aufgeführten Arzneimittel, Verbandmittel, Instrumente, Gegenstände und Materialien als Sprechstundenbedarf im Sinne der Allgemeinen Bestimmungen A 1, Teil A, Punkt 4 EBM'96 verordnet werden dürften. Als Sprechstundenbedarf gelten hiernach nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Versicherten Verwendung finden oder bei Notfällen sowie im Zusammenhang mit einem ärztlichen Eingriff bei mehr als einem Patienten zur Verfügung stehen müssten.

Die als Sprechstundenbedarf verordnungsfähigen Arzneimittel seien in der Anlage 1 der Sprechst...

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