Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Nichtverordnungsfähigkeit von Chloraethyl Henning zur Rheumabehandlung als Sprechstundenbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Das Medizinprodukt zur lokalen Kälteanästhesie (Vereisung) Chloraethyl Henning kann nicht zur Rheumabehandlung als Sprechstundenbedarf ("Mittel zur Kryotherapie der Haut") verordnet werden.

 

Orientierungssatz

Aktenzeichen beim LSG Darmstadt: L 4 KA 89/14.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um eine Regressforderung der Beigeladenen wegen unzulässiger Verordnung von Chloraethyl Henning als Sprechstundenbedarf in den beiden Quartalen I und II/11 in Höhe von insgesamt 772,50 Euro.

Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie mit dem Schwerpunkt Rheumatologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 27.02.2014 auf Antrag der Verbände der Krankenkassen einen Regressbetrag in Höhe von 144,00 Euro wegen der Verordnung von Chloraethyl Henning als Sprechstundenbedarf im Quartal I/11 und von 628,50 Euro im Quartal II/11 fest. Zur Begründung führte sie aus bei Chloraethyl Henning handele es sich um ein Medizinprodukt, das nicht in der Anlage V der Arzneimittel-richtlinie aufgeführt sei, weshalb es nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Sie verweise auf § 1 Abs. 3 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung. Chloraethyl Henning zähle zu den allgemeinen Praxiskosten und sei mit der Gebühr laut EBM abgegolten. Die Sprechstundenbedarfsvereinbarung sei eine Positivliste. Artikel und Präparate, die nicht Inhalt der Vereinbarung seien, seien nicht zu Lasten des Sprechstundenbedarfs verordnungsfähig.

Hiergegen legte der Kläger am 07.03.2014 Widerspruch ein. Er führte aus, die Verordnungsfähigkeit von Chloraethyl Henning ergebe sich aus Nr. 6.2 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung. Als “Sonstige Arzneimittel„ würden Mittel zur Kryotherapie der Haut (Kohlensäureschnee, flüssiger Stickstoff o.ä.) aufgeführt werden, obwohl es gar keine Arzneimittel zur Kryotherapie der Haut gebe. Auch Kohlensäureschnee und flüssiger Stickstoff seien Medizinprodukte. Die Verordnungsfähigkeit von Kältetherapeutika der Haut sei gewollt und deshalb in die Liste der verordnungsfähigen Mittel aufgenommen worden. Die Auflistung unter der falschen Bezeichnung “Arzneimittel„ ändere daran nichts. Das Mittel Chloraethyl Henning sei ein Mittel zur Kryotherapie der Haut, das Kohlensäureschnee und flüssigem Stickstoff sehr ähnlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.05.2014 die Klage erhoben.

Er ist weiterhin der Auffassung, Nr. 6.2 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung sei vorrangig und regle die Verordnungsfähigkeit von Chloraethyl Henning. Die Beklagte müsse sich fragen lassen, weshalb in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung Mittel zur Kryotherapie in den Leistungskatalog aufgenommen würden, obwohl diese gar nicht verordnungsfähig sein sollten. Fehler der Vereinbarung könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Das Mittel bringe Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen eine deutliche Beschwerdelinderung. Dadurch könne in der Praxis eine schnelle Linderung erreicht werden. Er habe das Mittel seit 1999 unbeanstandet verordnet. Über die Änderung der Auffassung der Beklagten sei er nicht informiert worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, bei Chloraethyl Henning handele es sich um ein Medizinprodukt zur Kryotherapie der Haut. Das Anwendungsgebiet sei die lokale Kälteanästhesie (Vereisung), z. B. bei Sportverletzungen, kleinen chirurgischen Eingriffen (z. B. Warzenentfernung) und zur Kältetherapie bei Schwellungen, Muskelschmerzen. Der Wirkstoff sei Chlorethan. § 1 Abs. 3 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung verweise auf die Arzneimittel-Richtlinie, in deren abschließender Positivliste das Mittel nicht aufgeführt werde. Chloraethyl Henning falle auch nicht unter die “Mittel zur Kryotherapie„ nach der Sprechstundenbedarfsvereinbarung, weil es in der Arzneimittel-Richtlinie nicht aufgeführt werde. Es gebe andere, verordnungsfähige Mittel zur Kryotherapie. Soweit das Mittel bei rheumatologischen Erkrankungen angewandt werde, müsse eine Einzelverordnung erfolgen.

Die Beigeladene hat sich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 07.07.2014 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen ...

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