Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung. Abrechnungsprüfung. Berechtigung zur Absetzung aller vertrags(zahn)ärztlich abgerechneten Leistungen bei Verstoß gegen das sog Splittingverbot. Vorliegen eines einheitlichen Behandlungsfalls bei allen Leistungen einer Berufsausübungsgemeinschaft (hier: fachübergreifende Gemeinschaftspraxis) mit einem MKG-Chirurgen für einen Patienten
Orientierungssatz
1. Eine Kassenzahnärztliche Vereinigung ist bei einem Verstoß gegen das sog Splittingverbot berechtigt, alle vertragszahnärztlich abgerechneten Leistungen abzusetzen. Es liegt ein einheitlicher Behandlungsfall bei allen Leistungen einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einem MKG-Chirurgen für einen Patienten vor, unabhängig davon, ob sie von der Berufsausübungsgemeinschaft bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) oder vom MKG-Chirurgen separat bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) abgerechnet werden (vgl SG Marburg vom 2.4.2014 - S 12 KA 609/13).
2. Aus dem Quartalsprinzip in der vertragsärztlichen Versorgung folgt für den vertragszahnärztlichen Bereich, dass immer dann, wenn Leistungen im vertragsärztlichen Bereich abgerechnet werden, nicht in demselben Quartal Leistungen auch im vertragszahnärztlichen Bereich abgerechnet werden können.
3. Leistungen, die vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abgerechnet werden können, dürfen nur einheitlich gegenüber der KÄV oder KZÄV abgerechnet werden. Werden auch Leistungen erbracht, die nicht in beiden, sondern nur in einem Bereich abgerechnet werden können, muss sich die Abrechnung nach den Leistungen richten, die nur in einem Bereich abgerechnet werden können. In einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis wie hier ist zu beachten, dass immer dann, wenn Leistungen von ausschließlich als Zahnarzt zugelassenen Behandlern erbracht werden, eine Abrechnung nur über die KZÄV in Betracht kommt. Soweit darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen nicht sämtliche erbrachte Leistungen in einem der beiden Bereiche erbracht worden und abrechenbar sind, geht die Kammer mit dem LSG Baden-Württemberg vom 18.10.1995 - L 5 Ka 262/95 davon aus, dass diese Fälle wegen der geringen Häufigkeit vernachlässigbar sind und die sich evtl ergebenden Abrechnungsabstriche mithin durchaus zumutbar wären.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen.
3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der KCH-Abrechnung in neun Behandlungsfällen für das Quartal III/09 und in 37 Behandlungsfällen für das Quartal IV/09 wegen des sog. Splittingverbots in Höhe von insgesamt 3.517,55 Euro und 2.034,37 Euro zusammen von 5.551,92 Euro
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt mit drei zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzten. Herr Dr. med. Dr. med. dent. A. ist zudem Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt. Er ist zugleich zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die übrigen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis sind Zahnärzte.
Die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) nahm mit Bescheid vom 24.05.2013 gegenüber Herrn Dr. Dr. A. eine sachlich-rechnerische Berichtigung für die Quartale III und IV/09 in Höhe von 35.344,76 Euro bzw. 32.302,24 Euro, insgesamt in Höhe von 67.647,00 Euro vor. Sie wies darauf hin, dass das sog. Splittingverbot zum 01.04.2005 in den allgemeinen Bestimmungen des EBM fest verankert worden sei. Sie habe deshalb eine Korrektur in Form der Absetzung aller Leistungen für die entsprechenden Behandlungsfälle, bei denen der Schwerpunkt der Leistungserbringung im Bereich der - vorliegend beklagten - Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZVH) anzunehmen gewesen sei, vorgenommen. Insgesamt seien davon 292 Behandlungsfälle aus der Abrechnung für das Quartal III/09 und 288 Behandlungsfälle für das Quartal IV/09 betroffen. Sie verweise auf die Übersicht der betroffenen Behandlungsfälle sowie die korrigierten Honorarunterlagen, die sie als Anlage beifüge. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 03.06.2013 wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Überprüfung der Unterlagen habe ergeben, dass in verschiedenen Fällen bei ein und demselben Patienten Leistungen sowohl über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen, der Beklagten, als auch über die Beigeladene abgerechnet worden seien. Es könnten z.B. für einen Patienten, bei dem eine klassische Kariestherapie über die Beklagte abgerechnet worden sei, in demselben Quartal keine kieferchirurgischen Leistungen mit ihr abgerechnet werden. In der Umsetzung des Splittingverbots wäre sie danach berechtigt gewesen, alle Leistungen, bei denen im gleichen Behandlungsfall ebenfalls Leistungen bei der Beklagten abgerechnet wor...