Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Anstellung eines Arztes im Wege der Praxisnachfolge
Leitsatz (amtlich)
1. § 103 Abs 4b S 2 SGB V lässt ebenso wie § 103 Abs 4c S 1 SGB V die Anstellung eines Arztes im Wege der Praxisnachfolge zu, suspendiert aber nicht von den allgemeinen Voraussetzungen der Praxisnachfolge. Vielmehr wird durch die gleichzeitig fingierte Praxisverlegung - wie bei einer ausdrücklichen Praxisverlegung - zusätzlich verlangt, dass Gründe der vertragsärztlichen Versorgung einer Übernahme nicht entgegenstehen. Durch die Integration in die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anstellungsgenehmigung handelt es sich eindeutig um einen einzigen Verwaltungsakt, nämlich die Anstellungsgenehmigung selbst. Eine Aufspaltung in die Genehmigung der Praxisnachfolge einschließlich der Anstellungsgenehmigung einerseits und der Sitzverlegung andererseits ist vom Gesetz nicht vorgegeben.
2. Für eine Anstellungsgenehmigung im Wege der Praxisnachfolge bedarf es einer nachfolgefähigen Praxis und eines Fortführungswillens des anstellenden Vertragsarztes.
Tenor
1. Der Beschluss des Beklagten vom 31.08.2016 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Praxisnachfolge durch Anstellung einer Ärztin und hierbei um die damit einhergehende Verlegung des Vertragsarztsitzes von CX-Stadt nach B Stadt.
Die Beigeladene zu 8) ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie betreibt mit der im Parallelverfahren zum Az.: S 12 KA 585/16 Beigeladenen zu 8), Frau Dr. C., ebf. Fachärztin für Allgemeinmedizin, eine Berufsausübungsgemeinschaft. Sie waren beide zunächst für den Praxissitz in CX-Stadt, C-Straße zugelassen (Planungsbereich Mittelbereich B-Stadt). Wegen Kündigung ihrer Praxisräume und Schwierigkeiten im Finden neuer Praxisräume beantragten sie mit Datum vom 01.07.2015, bei der Klägerin am 25.09.2015 eingegangen, die Verlegung ihrer Praxis um 1,3 km in das benachbarte AZ-Stadt (Planungsbereich Mittelbereich D Stadt) zum 01.09.2016, nachdem dort zwei Vertragsarztsitze ausgeschrieben worden waren. Im Antragsschreiben vom 01.07.2015, bei der Klägerin am 25.09.2015 eingegangen, heißt es wörtlich, sie möchten ihre "Praxis nach AZ-Stadt verlegen". Da die Räume in einem anderen KV-Bezirk (gemeint ist in einem anderen Planungsbereich) lägen, beantragten sie "die Zulassung bei gleichzeitigem Verzicht auf die Zulassungen in B-Stadt". Weiter heißt es: "Wir möchten eine möglichst lückenlose Betreuung unserer Patientinnen und Patienten sicherstellen und hoffen, dass der Wechsel von einem Bezirk zum nächsten möglichst reibungsfrei verläuft." Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab den Anträgen mit Beschlüssen vom 24.11.2015 statt und ließ die beiden Ärztinnen mit Wirkung zum 01.09.2016 für den Vertragsarztsitz in AZ-Stadt, E-Straße zu.
Beide Ärztinnen verzichteten auf ihre Zulassung in CX-Stadt im und beantragten am 20.05.2015 die Ausschreibung ihrer Praxissitze in CX-Stadt zur Praxisnachfolge.
Auf die Praxisnachfolge der Beigeladenen zu 8) bewarb sich der Beigeladene zu 1). Dieser ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in B-Stadt, B-Straße, zugelassen. Er ist zugleich Facharzt für Anästhesiologie. Er bewarb sich auf die Praxisnachfolge, um die Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. med. D. anzustellen. Auf die Praxisnachfolge der Praxispartnerin bewarb sich der Beigeladene zu 1) im Parallelverfahren zum Az.: S 12 KA 585/16, Herr Dr. E. Dieser ist ebf. als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in B-Stadt, F-Straße, zugelassen. Er bewarb sich auf die Praxisnachfolge, um die Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. med. univ. F. anzustellen. Frau Dr. F. ist zugleich Fachärztin für Anästhesiologie.
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung Hessen empfahl unter Datum vom 13.06.2016 bzw. 14.06.2016, beide Anträge abzulehnen. Sie wies darauf hin, mit der Anstellung werde der hausärztliche Vertragsarztsitz um ca. 13 km bzw. 14 km verlegt. Der Planungsbereich Mittelbereich B-Stadt sei mit 119,30 % überversorgt. Er habe 275.XXX Einwohner. Es seien 205 Ärzte mit insgesamt 194,75 Versorgungsaufträgen tätig. Ausschlaggebend sei das PLZ-Gebiet CX-Stadt. In diesem Gebiet seien acht Hausärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag niedergelassen. In dem sich angrenzenden PLZ-Gebiet CY-Stadt seien acht Hausärzte mit insgesamt 7,5 Versorgungsaufträgen niedergelassen. Die Fallzahlen der Frau A. hätten in den Quartalen I bis IV/15 64 % des hessischen Durchschnitts betragen. Im Quartal III/15 stammten 65 % aus B-Stadt, davon ca. 85 % aus dem PLZ-Gebiet CX-Stadt sowie ca. 10 % aus dem PLZ-Gebiet CY-Stadt. 25 % stammten aus der sich südlich an CX-Stadt angrenzenden Stadt AZ-Stadt. Das Abrechnungsvolumen der Haus...