Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. ermächtigter Arzt. Klagebefugnis gegen Aufhebung der Ermächtigung. 68-Jahres-Altersgrenze gilt auch für Ermächtigungen. Verlängerungstatbestand. Altersbegrenzung verstößt nicht gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ermächtigter Arzt kann gegen ein vom Berufungsausschuss abgegebenes und von der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung angenommenes Anerkenntnis, durch das eine vom Berufungsausschuss ausgesprochene Ermächtigung wieder aufgehoben wird, seinerseits klageweise vorgehen (vgl BSG vom 28.4.2004 - B 6 KA 8/03 R = BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5).
2. Die Altersbegrenzung von 68 Jahren nach § 95 Abs 7 SGB 5 gilt auch für ermächtigte Ärzte.
3. Die Voraussetzungen für einen Verlängerungstatbestand liegen nur dann vor, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt hat, dass im Planungsbereich eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht. Die Feststellung hat für eine Fachgruppe und bezogen auf einzelne Planungsbereiche zu ergehen, nicht für einzelne Leistungen oder Leistungsbereiche.
4. Die Altersbegrenzung von 68 Jahren ist rechtmäßig.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ermächtigung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung für Botulinum-Toxin-Therapien über den 31.03.2007 hinaus.
Der 1939 geborene und jetzt 68-jährige Kläger ist approbierter Arzt und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er nimmt seit längerer Zeit, nach seinen Angaben seit 1996, aufgrund einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zuletzt war er durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung vom 22.02.2005 zur Durchführung der Botulinum-Toxin-Therapie auf Überweisung durch Vertragsärzte, abzurechnen nach den Nummern 1, 75, 801, 809 bis 811 EBM 1996, befristet bis zum 31.03.2007 ermächtigt worden.
Am 29.12.2006 beantragte der Kläger, seine vertragsärztliche Ermächtigung um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Die Beigeladene zu 1) teilte unter Datum vom 08.01.2007 mit, der Kläger habe in den letzten vier Quartalen durchschnittlich 39 Fälle abgerechnet. Sie befürworte den Antrag, da die spezielle Leistung ausschließlich von ermächtigten Chefärzten erbracht werde.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte teilte dem Kläger unter Datum vom 12.02.2007 mit, er habe in der Sitzung am 30.01.2007 dem Antrag stattgegeben - der Beschluss war dem Kläger mündlich bekannt gegeben worden -, mittlerweile aber festgestellt, dass der Kläger die Altersgrenze von 68 Jahren überschritten habe. Er beabsichtige daher in der Sitzung am 15.03.2007 den Beschluss aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Kläger wies nochmals auf die Besonderheit der von ihm erbrachten Therapieleistungen hin. Es handele sich ausschließlich um chronisch Kranke mit einem breiten Indikationsspektrum, die er seit über zehn Jahren im Abstand von 3 - 4 Monaten behandele. Eine adäquate Versorgung im nordhessischen Raum liege nicht vor. Hilfsweise beantrage er die Verlängerung bis zum 30.09.2007.
Der Zulassungsausschuss hob mit Beschluss vom 15.03.2007, ausgefertigt am 29.03.2007, seinen Beschluss vom 30.01.2007 auf und wies den Antrag des Klägers ab.
Hiergegen legte der Kläger am 10.04.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er nochmals vor, für die Leistung, auf welche sich die Ermächtigung beziehe, bestehe eine ärztliche Unterversorgung. Mit der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) sei eine drohende Unterversorgung festgestellt worden. In diesem Fall sei die gesetzliche Altersgrenze ausgeschlossen. Er habe auch bereits weitere Behandlungstermine vergeben.
Die Beigeladene zu 1) hielt den Beschluss des Zulassungsausschusses für rechtmäßig. Im Einzelnen wird auf ihr Schreiben vom 26.04.2007 verwiesen.
Mit Schreiben vom 03. und vom 04.05.2007 reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Stellungnahmen verschiedener Ärzte sowie eines Patienten nach, mit welchen einer Weiterführung der Ermächtigung des Widerspruchsführers befürwortet wurde.
Mit Beschluss vom 09.05.2007, ausgefertigt am 06.07. und dem Kläger zugestellt am 07.07.2007, gab der Beklagte dem Widerspruch statt. Er hob den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 15.03.2007 auf und fasste den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 30.01.2007 wie folgt neu: “Herr Dr. med. A., Neurologe und Psychiater, Praxis Dr. med. D, A-Stadt, A-Straße, Kreis LJ., wird auch weiterhin gemäß § 31 Abs. 2 Ärztezulassungsverordnung in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Die Ermächtigung wird befristet bis 31.12.2008 und erstreckt sich auf folgende Leistungen: Durchführung der Botulinum-Toxin-Therapie auf Überweisung durch Vertragsärzte, abzurechnen nach den Nu...