Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. implausible Abrechnungen aufgrund patientenbezogener Implausibilitäten. Überlappung von sachlich-rechnerischer Berichtigung wegen Implausibilität und Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei implausiblen Abrechnungen aufgrund von patientenbezogenen Implausibilitäten kann die nicht einer Einzelleistung oder einzelnen Leistungen oder Leistungsbereichen zugeordnet werden. Die Implausibilität folgt vielmehr aus dem Gesamtumfang der abgerechneten Leistungen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien dürfen deshalb von der Richtigkeit der Honoraranforderung ohne Bereinigung der statistischen Grundlagen ausgehen (Fortführung von SG Marburg vom 7.9.2011 - S 10 KA 913/09).

2. Soweit sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen Implausibilität und eine Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit überlappen, ist im jeweils nachfolgenden Bescheid bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages im Rahmen der Ermessensausübung die vorangehende Kürzung zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigenaußergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kostensind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegenunwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich der Nr. 01100 EBM(Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einenPatienten) und der Leistungsgruppen 2 und 13 für die vier QuartaleI bis IV/08 in Höhe von insgesamt 84.394,94 € vor Quotierungbzw. 20.124,55 € quotiert.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis, bestehend seit01.08.2003 aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenenFachärzten für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt. Herr Dr.A1 war bereits zuvor zur vertragsärztlichen Versorgungzugelassen.

In den Quartalen I bis IV/08 entwickelten sich die Fallkostender Klägerin (Kl.) im Vergleich zu ihrer Fachgruppe derAllgemeinärzte und praktischen Ärzte (VG.) wie folgt.

Quartal

I/08

II/08

III/08

IV/08

Anzahl Praxen/Ärzte

2.996/3.930,25

2.986/3.932,25

2.960/3.899,30

2.984/3.893,14

Fallzahl Kl./VG.

2.249/1.181

2.135/1.148

2.142/1.149

2.202/1.166

Rentneranteil in % Kl./VG.

36/34

37/35

40/35

37/35

Fallkosten gesamt in € Kl./VG.

77,61/70,74

78,97/71,33

77,15/70,42

77,77/71,75

Überschreitung in €

6,87

7,64

6,73

6,02

Überschreitung in %

10

11

10

8

Leistungsgruppe 2

Fallkosten gesamt in € Kl./VG.

15,22/5,46

14,15/5,17

14,27/5,08

13,38/5,16

Überschreitung in €

9,76

8.98

9,19

8,22

Überschreitung in %

179

174

181

159

Leistungsgruppe 13

Fallkosten gesamt in € Kl./VG.

2,13/0,72

1.82/0,68

1,87/0,68

1,61/0,68

Überschreitung in €

1,41

1,14

1,19

0,93

Überschreitung in %

196

168

175

137

Nr. 01100

Abrechnende Praxen

1.859

1.655

1.524

1.652

Anzahl auf 100 Fälle Kl./VG.

18/1

25/1

18/1

25/1

Fallkosten in Punkten Kl./VG.

102,7/7,0

138,6/7

98,2/6,9

136,4/9,1

Fallkosten in € Kl./VG.

5,25/0,35

7,08/0,35

5,02/0,35

6,97/0,46

Überschreitung in €

4,90

6,73

4,67

6,51

Überschreitung in %

1.367

1.800

1.323

1.399

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen führtevon Amts wegen ein Prüfverfahren für die Quartale I bis IV/07 bzgl.der Leistungen nach Nr. 01100 (Unvorhergesehene Inanspruchnahme)und 01411 (Dringender Besuch I) durch, was sie dem Kläger mitSchreiben vom 18.04.2011 mitteilte.

Die Klägerin trug vor, es liege eine 33-jährige Praxistätigkeitmit ununterbrochener Samstagstätigkeit und Hausbesuchen anSamstagen vor. Trotz unterschiedlicher Vergütung derSamstagstätigkeit in den vergangenen Jahren sei die Frequenz derSamstagstätigkeit und der Hausbesuche an Samstagen praktischunverändert auf gleich hohem Niveau geblieben. Dies zeige, dasshierfür nicht Anreize der Honorierung maßgebend gewesen seien.Diese Samstagstätigkeit werde nur noch von wenigen einzelnenLandarztpraxen durchgeführt. Hieraus folge die statistischeAuffälligkeit. Diese Tätigkeit verursache keine weiteren Kosten, dadas Honorar in der Größenordnung von ca. 800.000 Punkten im Quartalgestrichen werde. Durch seine Samstagstätigkeit vermeide erKrankenhauseinweisungen.

Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 27.10.2011 eineHonorarkürzung in Höhe von 12,00 Euro pro Fall für das QuartalI/07, von 8,00 Euro für das Quartal II/07, von 12,00 Euro für dasQuartal III/07 und von 11,00 Euro für das Quartal IV/07 vorQuotierung fest. Dies ergab eine Honorarkürzung im Bereich desGesamtfallwerts für die vier Quartale I bis IV/07 in Höhe voninsgesamt 93.710,00 € vor Quotierung bzw. 13.426,84 €quotiert. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mitBescheid vom 05.03.2013 auf Grund des Beschlusses vom 10.10.2012als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage zum Az.: S 12KA 184/13 beendeten die Beteiligten vor der Kammer an 28.08.2013durch Vergleich. Der Beklagte reduzierte die strittigeHonorarkürzung auf 8.951,23 € und übernahm 1/3 derGerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten derKlägerin.

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen führtevo...

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