Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Vertrauensschutz hinsichtlich Honorarrückforderung wegen Überschreitens der für ein Job-Sharing-Verhältnis geltenden Punktzahlobergrenze. Nachfrage bei Kassenärztlicher Vereinigung wegen Auseinanderdriften von Job-Sharing-Punktzahlvolumenobergrenze und Regelleistungsvolumen
Leitsatz (amtlich)
1. Vertrauensschutz hinsichtlich einer Honorarrückforderung wegen Überschreitens der für ein Job-Sharing-Verhältnis geltenden Punktzahlobergrenze kann nicht durch die Zuweisung praxisbezogener Regelleistungsvolumina ohne jegliche Einschränkung und ohne den Vorbehalt der Punktzahlvolumenobergrenze im Job-Sharing entstehen (siehe bereits SG Marburg vom 5.12.2012 - S 12 KA 636/11 = juris RdNr 59ff).
2. Ein Vertragsarzt kennt die Punktzahlobergrenze im Rahmen eines sogenannten Job-Sharings und kann den Honorarabrechnungen ohne weiteres entnehmen, dass auch die diese Grenze überschreitenden Punkte abgerechnet worden sind. Bei einem Auseinanderdriften von Job-Sharing-Punktzahlvolumenobergrenze und Regelleistungsvolumen besteht Anlass, bei der Kassenärztlichen Vereinigung nachzufragen, welche Punktzahlen denn tatsächlich vergütet werden (vgl LSG Stuttgart vom 24.10.2012 - L 5 KA 5778/11 - juris RdNr 105).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von 38.687,41 Euro netto für die vier Quartale IV/08 bis III/09 (1. Leistungsjahr), soweit ein über den Betrag in Höhe von 4.788,39 Euro netto hinausgehender Betrag als Rückforderung festgesetzt wurde.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Internisten mit dem Schwerpunkt Pneumologie. Der Zulassungsausschuss genehmigte ihnen mit Beschluss vom 26.08.2008 die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. Abschnitt 5 § 23a Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte mit Wirkung zum 01.10.2008 mit Praxissitz in A-Stadt. Den Praxisumfang der Vertragsarztpraxis legte er auf der Grundlage des Gesamtpunktzahlvolumens in den vier vorausgegangenen Quartalen (II/07 bis I/08) aufgrund der Abrechnungen der bereits zuvor bestehenden Praxis des Herrn Dr. C. wie folgt fest:
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Jahresquartal |
Punktzahl des Erstzugelassenen |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
I |
1.702.934,1 |
74.357,1 |
1.777.291,2 |
II |
1.273.074,0 |
65.914,9 |
1.338.988,9 |
III |
1.330.295,1 |
64.326,8 |
1.394.621,9 |
IV |
1.530.266,8 |
61.816,1 |
1.592.082,9 |
Der Zulassungsausschuss setzte mit Beschluss vom 28.07.2009 die quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina wie folgt neu fest:
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Jahresquartal |
Punktzahl des Erstzugelassenen |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
I |
1.702.934,1 |
74.357,1 |
1.777.291,2 |
II |
1.330.295,1 |
64.326,8 |
1.492.385,0 |
III |
1.273.074,0 |
61.816,1 |
1.428.465,9 |
IV |
1.530.266,8 |
66.790,0 |
1.709.010,5 |
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Zur Begründung wies er darauf hin, Berechnungsbasis seien die Quartale II bis IV/07 gewesen. Der Vorstand der Beklagten habe daher eine Transcodierung der Leistungen vom EBM 2005 in den EBM 2008 beantragt. Als Basis des Antrags auf Anhebung der Punktzahlobergrenze im 1. Leistungsjahr sollten die im Rahmen der RLV-Erhöhung ermittelten Steigerungsprozentsätze bei der Transcodierung des EBM 2005 zum EBM 2008 dienen.
Der Zulassungsausschuss setzte mit Beschluss vom 24.08.2010 die quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina wie folgt neu fest:
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Jahresquartal |
Punktzahl des Erstzugelassenen |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
I |
1.702.934,1 |
74.357,1 |
1.777.291,2 |
II |
1.330.295,1 |
71.005,3 |
1.499.063,5 |
III |
1.273.074,0 |
68.138,1 |
1.434.787,9 |
IV |
1.530.266,8 |
69.585,2 |
1.711.805,7 |
Zur Begründung führte er an, die Ausgangsquartale II bis IV/07 seien bereits mit dem durchschnittlichen Steigerungsfaktor 7,01 % transcodiert worden. Nunmehr würden die 3 % der Punktzahlen der Fachgruppe transcodiert werden. Deshalb habe er die Anpassung der Punktzahlobergrenzen unter Beachtung des 3 %-igen Zuschlags vorgenommen.
Das Job-Sharing-Verhältnis wurde am 30.04.2010 beendet (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010).
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den streitbefangenen Quartalen wie folgt fest:
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IV/08 |
I/09 |
II/09 |
III/09 |
Honorarbescheid vom |
30.03.2009 |
20.07.2009 |
11.10.2009 |
23.12.2009 |
Nettohonorar gesamt in € |
53.222,70 |
55.351,02 |
53.361,80 |
52.933,24 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
53.521,46 |
55.779,54 |
53.999,83 |
53.558,26 |
Fallzahl PK + EK |
1.188 |
1.313 |
1.216 |
1.252 |
Regelleistungsvolumen ab I/09 |
|
46.463,86 |
50.040,87 |
47.843,01 |
Quotiertes Regelleistungsvolumen in € |
|
4.470,29 |
1.941,51 |
1.570,79 |
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) |
|
728,52 |
813,72 |
1.105,03 |