Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Regelleistungsvolumen. schmerztherapeutische Praxis
Leitsatz (amtlich)
1. Einer schmerztherapeutischen Praxis eines als Arzt zugelassenen Vertragsarztes kann, wenn 70 bis 80 % ihrer Patienten chronische Schmerzpatienten sind, nicht das Regelleistungsvolumen der Allgemeinmediziner zuerkannt werden, weil ihre Tätigkeit zu sehr von der der Fachgruppe abweicht.
2. Bei einer Neubescheidung kann die Kassenärztliche Vereinigung berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf einer 80 %-Grundlage berechnet sind.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2007 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger über seinen Antrag vom 10.03.2006 unter Beachtung der Rechtssauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05.
Der Kläger ist Anästhesiologie mit Zusatzbezeichnung “Spezielle Schmerztherapie„. Er ist als Arzt seit dem 01.04.1993 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Seine Praxis gehört der Honorargruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin/Praktische Ärzte, B 2.1 an und ist abrechnungstechnisch der VfG 07-00 zugeordnet. Mit Honorarbescheid vom 28.06.2006 für das Quartal II/05 setzte die Beklagte das Honorar für den Primär- und Ersatzkassenbereich bei 393 Fällen auf 50.213,03 € fest. Hiervon entfielen auf die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV insgesamt 13.688,47 € (27,3 %). Mit Honorarbescheid vom 12.08.2006 setzte die Beklagte für das Quartal III/05 bei 355 Behandlungsfällen das Honorar auf 40.629,04 € fest. Hiervon entfielen auf die Ausgleichsregelung 10.027,13 € (24,7 %).
Der Kläger stellte am 10.03.2006 den Antrag auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens, da seine entsprechenden Tätigkeiten im Bereich schmerztherapeutischer Leistungen sich nicht in den Fallpunktzahlen der Hausärzte widerspiegele.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger nehme an der hausärztlichen Versorgung teil. Der Honorarverteilungsvertrag enthalte Vorgaben zur Bewertung der Honorarforderungen auf Basis von Regelleistungsvolumina. Gemäß Ziffer 6.3 HVV bestimme sich das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis im Grundsatz aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal ermittelten arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in verschiedenen Altersklassen. Die Zuordnung zu einer der in der Anlage 6.3 des HVV aufgeführten Arzt-/Fachgruppen richte sich nach dem Fachgebiet, für das der Arzt vertragsärztlich zugelassen sei. Der Kläger sei aufgrund seiner Zulassung der Arzt-/Fachgruppe der hausärztlich tätigen Ärzte zugeordnet. Für seine Fachgruppe sehe der Honorarverteilungsvertrag folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen vor:
|
|
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Altersgruppe |
0-5 |
6-59 |
≫=60 |
0-5 |
6-59 |
≫;=60 |
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520 |
576 |
1059 |
424 |
475 |
821 |
Da im Fall des Klägers der 150%-Wert der Referenzfallzahl größer sei als die RLV-relevante Fallzahl seiner Praxis, entspreche das endgültige praxisbezogene Regelleistungsvolumen dem vorläufig festgestellten Regelleistungsvolumen. Dieses betrage für das Quartal II/05 237.083,0 Punkte. Die demgegenüber abgerechneten 685.055,0 Punkte überschritten das Regelleistungsvolumen um 447.972,0 Punkte, die noch mit 0,51 Cent bewertet werden würden. Eine Ausnahme könne nach der Festlegung des Vorstandes nur aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Maßgeblich sei, ob im Umkreis von 50 Kilometern ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden, die die streitgegenständlichen Leistungen abrechneten. Eine Überprüfung der Versorgungssituation im Planungsbereich Stadt und Landkreis A-Stadt habe ergeben, dass noch drei weitere Ärzte niedergelassen seien, die die streitgegenständlichen Leistungen erbrächten. Ein Sicherstellungsproblem sei daher nicht festzustellen. Es sei auch die Regelung zur Vermeidung von Fallwertverlusten im Honorarverteilungsvertrag zur Anwendung gekommen. Dies habe im Quartal II/05zu einem Auffüllbetrag von 17.126,59 € geführt.
Hiergegen legte der Kläger am 01.08.2006 Widerspruch ein. Er wies darauf hin, er sei seit Juli 1994 von der Bezirksstelle LJ. als schmerztherapeutischer Arzt zugelassen. Seitdem nehme er an der Schmerztherapievereinbarung teil. An der Schmerztherapievereinbarung würden insgesamt 70 Ärzte teilnehmen, davon 50 Anästhesisten, 2 Allgemeinmediziner, 1 Arzt, 7 Orthopäden, 1 Internist, 1 Neurologe, 1 Neurochirurg, 1 Reha-Arzt. Die beiden Allgemeinmediziner und der Arzt seien ebenfalls Fachärzte für Anästhesiologie. Von den Zusatzbezeichnungen seien diese Ärzte mit den anderen an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmenden Ärzten ...