Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigungsfiktion einer beantragten Leistung bei nicht fristgerechter Bescheidung der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 setzt neben einem fiktionsfähigen Antrag voraus, dass die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB 5 beschieden hat.
2. Der Naturalleistungs- bzw. Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ist beschränkt auf subjektiv für den Versicherten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen.
3. Nach einer Abnahme des Körpergewichts um mehr als einem Drittel zählt eine sog. Wiederherstellungsoperation zur Beseitigung der Hautlappen zu den von der Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen.
4. Die Rechtmäßigkeit einer fingierten Genehmigung beurteilt sich ausschließlich nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB 5 und nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs (BSG Urteil vom 08. März 2016, B 1 KR 25/15 R).
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid vom 24. November 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2016 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin - aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V - fünf postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (lateral erweiterte Abdominoplastik inklusive Nabelkorrektur und Extension des alten Nabels sowie Neupositionierung des Nabels und Straffung des mons pubis, angleichende Mamareduktionplastik inklusive lateraler Thoraxstraffung, Oberarmstraffung beidseits inklusive Axilia-Straffung, Oberschenkelstraffung beidseits inklusive Liposuktion und Liposuktion des Rückens) als Sachleistung zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1.
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung.
Sie beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. August 2015 (Eingang bei der Beklagten am 1. September 2015) eine „Wiederherstellungsoperation“. Sie erklärte dazu, dass nach einer Gewichtsabnahme von 57 Kilo sich sehr viele große Hautlappen gebildet hätten, die abstoßend wirkten und Schmerzen bereiteten.
Der am 1. September 2015 beauftragte MDK verlangte am 2. September 2015 eine aussagekräftige Fotodokumentation. Dies wurde der Klägerin mit Brief vom 2.9. 2015 mitgeteilt.
Der Vater der Klägerin legte die gewünschte Fotodokumentation mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 (Eingang 6.10.2015) vor. Die Übersendung hatte sich verspätet, weil beim Vater der Klägerin (die Klägerin befand sich in der Zeit im Ausland) die Bilder ursprünglich im Spam-Ordner seines E-Mail-Programms gelandet waren. Am 20.11.2015 erstellte der MDK sein (negatives) Gutachten.
Am 24. November 2015 erließ die Beklagte ihren ablehnenden Bescheid, gegen den am 10. Dezember 2015 Widerspruch eingelegt wurde.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2016 zurückgewiesen.
2.
Mit der am 27. November 2015 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Die Klage stützt sich auf die eingetretene Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V.
Die Beklagte beruft sich im wesentlichen auf ihren nach Klageeinlegung erlassenen Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2016. Danach stützt sich die Beklagte auf die gutachterliche Stellungnahme des MDK und darauf, dass die Genehmigungsfiktion nur eingreift, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung betrifft und sie dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche.
3.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin - aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V - fünf postbariatrische Wiederherstellungsoperationen, nämlich
lateral erweiterte Abdominoplastik inklusive Nabelkorrektur und Extension des alten Nabels sowie Neupositionierung des Nabels und Straffung des mons pubis, angleichende Mamareduktionplastik inklusive lateraler Thoraxstraffung, Oberarmstraffung beidseits inklusive Axilia-Straffung,
Oberschenkelstraffung beidseits inklusive Liposuktion und Liposuktion des Rückens
als Sachleistung zu gewähren und den Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Akteninhalt verwiesen. Der Kammer haben die Beklagtenakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
1.
Die Anfechtungsklage in objektiver Klagehäufung mit einer Leistungsklage ist zulässig, da zum einen für beide das sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) zuständige Sozialgericht München angerufen wurde. Zum anderen wurde für die Anfechtungsklage das gesetzlich vorgesehene (§ 78 SGG) Vorverfahren (jedenfalls...