Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Haftung. vorsätzliche Beitragsvorenthaltung. Anwendung der Verjährungsregelung des § 25 SGB 4
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung sowohl der Hauptforderung wie auch der Bürgschaftsforderung im Rahmen des § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV richtet sich nach § 25 SGB IV.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens, welche die Beklagte zu tragen hat.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für nicht bezahlte Gesamtsozialversicherungsbeiträge für von ihr entliehene Arbeitnehmer zu haften hat.
Die Klägerin hatte in der Zeit vom 1.5.2009 bis 31.12.2012 regelmäßig Arbeitnehmer der I GmbH, die über eine entsprechende Verleiherlaubnis verfügte, entliehen. Die Leiharbeitnehmer waren bei der Klägerin aufgrund des Rahmenüberlassungsvertrags vom 19.12.2008 als Lagerarbeiter oder Staplerfahrer tätig.
Die Beigeladene zu 3. stellte aufgrund einer Betriebsprüfung mit Bescheid vom 24.3.2017 gegenüber der I GmbH fest, dass für die Zeit vom 1.5.2009 bis 31.12.2012 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von 224.459,28 € (Beiträge und Säumniszuschläge) bestünden. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie die Beklagte, den Entleiher in Haftung zu nehmen.
Das Amtsgericht L verurteilte den ehemaligen Geschäftsführer der I GmbH D. mit rechtskräftigem Urteil vom 4.7.2017 wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 175 tatmehrheitlichen Fällen. Vorausgegangen war ein Geständnis in der mündlichen Verhandlung nach tatsächlicher Verständigung gem. § 257c StPO. Das Amtsgericht stellte fest, dass der Angeklagte gewusst habe, dass er als Geschäftsführer der Firma I GmbH - trotz Überlassung seiner Arbeitnehmer an die Klägerin - für die Wahrnehmung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern verantwortlich gewesen sei, da es sich trotz Überlassung weiter um "seine" Arbeitnehmer handelte. Entgegen der dem Angeklagten bekannten Verpflichtung sei den bei der Firma I GmbH beschäftigten und der Klägerin überlassenen Leiharbeitnehmern in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich ein höherer Lohn ausbezahlt als der Sozialversicherung gemeldet worden. Teilweise seien Leiharbeitnehmer den Sozialversicherungsträgern als "geringfügig Beschäftigte" gemeldet und ein entsprechender Arbeitsvertrag geschlossen worden, obwohl diesen durch den Angeklagten tatsächlich ein Lohn ausbezahlt worden sei, der sich über der Geringfügigkeitsgrenze befunden habe. Darüber hinaus seien in einer Vielzahl von Fällen Arbeitnehmer nicht zum tatsächlichen Arbeitsbeginn bzw. Arbeitsende zur Sozialversicherung gemeldet worden, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem sie bereits eine Zeit lang für die Firma I GmbH ohne entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung tätig gewesen waren. Weiter seien durch den Angeklagten seine Beschäftigten bei den Sozialversicherungsträgern teilweise überhaupt nicht angemeldet worden. In einigen Fällen habe der Angeklagte das seinen Arbeitnehmern ausbezahlte Entgelt für geleistete Überstunden nicht der Sozialversicherung unterworfen. Zudem habe der Angeklagte bei den Sozialversicherungsträgern einzelne Arbeitnehmer als "geringfügig Beschäftigte" abgerechnet, obwohl das offizielle und vereinbarte Entgelt dieser Arbeitnehmer mit 800 € die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe. In dem Fall eines Arbeitnehmers sei dieser von der Firma des Angeklagten als versicherungspflichtig Beschäftigter geführt worden. Allerdings sei der offizielle Lohn vom Angeklagten als zu gering ermittelt worden, da der Arbeitnehmer lediglich im November 2012 im Betrieb des Angeklagten tätig gewesen und daher eine Ansammlung von Überstunden nicht in Betracht gekommen sei.
Das Amtsgericht L eröffnete am 11.7.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Die Beklagte nahm die Klägerin mit Bescheid vom 11.7.2017 für nicht bezahlte Gesamtsozialversicherungsbeiträge für entliehene Arbeitnehmer der insolventen I GmbH in Höhe von 140.779,78 € in Anspruch. Ein Ausgleich der Forderungen gegenüber der I GmbH sei nicht realisierbar. Die Beklagte sei deshalb gesetzlich verpflichtet, die Klägerin für diese Nachforderung im Rahmen der sog. Entleiherhaftung in Anspruch zu nehmen. Beigefügt war die "Anlage Berechnung der Beiträge nach § 28p Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 2 Abs. 2 SchwarzArbG" der Beigeladenen zu 3. (S. 1 - 47).
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 11.7.2017 Widerspruch ein und erhob u.a. die Einrede der Verjährung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2018 zurück. In diesem heißt es u.a., dass am 4.8.2017 ein Betrag i.H.v. 12.000 € eingegangen sei, der von der genannten Forderung in Abzug gebracht werden könne.
Die Klägerin hat am 26.2.2018 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid f...