Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Überversorgung. Zulassungsbeschränkungen. Besetzung eines freien hälftigen Vertragsarztsitzes nach Teilentsperrung (hier: im Bereich "Radiologie"). Antrag auf Zulassung ist grds für Vertragsarztsitz und nicht für ausgelagerte Praxisräume zu stellen. Entscheidung der Zulassungsgremien nach pflichtgemäßem Ermessen. Auswahlkriterien. Versorgungsangebote und -leistungen einer Filialpraxis. Vorhandensein eines offenen MRT‚s. exzentrische Lage. Alleinstellungsmerkmal programmverantwortlicher Arzt im Screening-Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist der Antrag auf Zulassung für den Vertragsarztsitz und nicht für ausgelagerte Praxisräume zu stellen, an dem die vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt werden soll.
2. Im Rahmen der Feststellung des Bedarfs sind auch die Versorgungsangebote und Versorgungsleistungen einer Filialpraxis zu berücksichtigen. Es kommt auf die tatsächliche Versorgungssituation an.
3. Das Vorhandensein eines offenen MRT‚s kann unter dem Auswahlkriterium "Versorgungsgesichtspunkte" iSd § 26 Abs 4 Ziff 3 sechster Spiegelstrich Bedarfsplanungs-Richtlinie (juris: ÄBedarfsplRL) zu berücksichtigen sein.
Orientierungssatz
1. Bei einer Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern nach Teilentsperrung für ein Fachgebiet, dessen Planungsbereich die Raumordnungsregion ist, ist auf die gleichmäßige Verteilung der Vertragsarztsitze zu achten, wie sich auch aus § 26 Abs 4 Nr 3 Ss 6 ÄBedarfsplRL ableiten lässt. Die Geltung einer wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung führt nicht dazu, das exzentrische Lagen besonders berücksichtigt werden müssten. Denn eine exzentrische Lage eines Vertragsarztsitzes wäre kaum zu vereinbaren mit der gleichmäßigen Verteilung der Vertragsarztsitze in einem großräumigen Planungsbereich, auf den für die spezielle fachärztliche Versorgung abzustellen ist.
2. Zum Stellenwert des Alleinstellungsmerkmals programmverantwortlicher Arzt im Screening-Verfahren (hier: Mammografie-Screening) im Rahmen einer von den Zulassungsgremien zu treffenden Auswahlentscheidung.
Tenor
I. Der Beschluss des Beklagten vom 28.09.2017 (Bescheid vom 03.11.2017) wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Zulassungsantrag des Klägers zu entscheiden.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Die Hinzuziehung eines auf das Medizinrecht spezialisierten Rechtsanwalts wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid des Berufungsausschusses aus der Sitzung vom 28.09.2017. Dagegen ließen sowohl der Kläger, als auch der Beigeladene zu 9 Klagen zum Sozialgericht München einlegen. Letzteres Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 38 KA 625/17 (Kläger = Dr. E.) geführt und gemeinsam mit dem streitgegenständlichen Verfahren in der Sitzung am 07.11.2018 verhandelt.
Der Berufungsausschuss bestätigte die Entscheidung des Zulassungsausschusses. Danach wurde der Beigeladene zu 1 als Facharzt für diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz G-Straße, G-Stadt, Planungsbereich Raumordnungsregion P., beschränkt auf die Hälfte des Versorgungsauftrages (Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 0,5) zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Die Anträge auf Zulassung der übrigen Bewerber, darunter der Kläger, gleichzeitig Beigeladener zu 1 im Verfahren unter dem Aktenzeichen S 38 KA 625/17 und der Beigeladene zu 9, gleichzeitig Kläger im Verfahren unter dem Aktenzeichen S 38 KA 625/17 wurden zurückgewiesen.
Der Kläger ist gegenwärtig als leitender Arzt in der Abteilung für Radiologie und Neuroradiologie an der H-Klinik A-Stadt tätig. In den Räumen der H-Klinik A-Stadt befindet sich auch das Zentrum für Innere Medizin des Klinikums I-Stadt mit 50 Betten.
Der Beigeladene zu 9 und Kläger im Verfahren unter dem Az. S 38 KA 625/17 ist gegenwärtig Leiter des MVZ K-Stadt und L-Stadt. Außerdem ist er PVA (= Programmverantwortlicher Arzt) in der Screening-Einheit M..
Dem Beigeladenen zu 1 wurde erstmals am 25.02.2010 eine Ermächtigung für 200 Fälle erteilt. In der Folgezeit erhielt der Beigeladene immer wieder Folgeermächtigungen, wobei die Fallzahlbegrenzung auf 220 Fälle erhöht wurde. Die letzte Ermächtigung datiert vom 15.02.2017 und gilt dem Vernehmen nach bis 31.12.2019. Der Beigeladene zu 1 ist Mitgesellschafter der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Sitz in G-Stadt am Krankenhaus N., die über ausgelagerte Praxisräume in O-Stadt verfügt, wo er auf Grund seiner Ermächtigung vorwiegend tätig war und ist.
Die Beklagte führte eine Auswahlentscheidung nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie durch. Maßgeblich sei die Raumordnungsregion P., ein Planungsbereich, bestehend aus vier Landkreisen. Alle Bewerber seien gleich geeignet. Auch das Kriterium der Versorgungskontinuität sei bei allen Bewerbern gegeben.
Im Vordergrund der Auswahlentscheidung stehe der Gesichtspunkt der "bestmöglichen Versorgung de...