Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Überversorgung. Zulassungsbeschränkung. (Teil-)Entsperrung für einen freigewordenen Vertragsarztsitz (hier: im Bereich "Radiologie"). Kriterien zur Bewerberauswahl. Ermessen der Zulassungsgremien. "bestmögliche Versorgung der Versicherten" nach § 26 Abs 4 Nr 3 ÄBedarfsplRL. Entgegenstehen einer sonstigen Beschäftigung. "Ungeeignetheit" der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit iS von § 20 Abs 1 Ärzte-ZV
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 26 Abs 4 Nr 3 Bedarfsplanungsrichtlinie (juris: ÄBedarfsplRL) genannten Auswahlkriterien sind ebenfalls wie die in § 103 Abs 4 S 5 SGB V genannten nicht abschließend, zumal den Zulassungsgremien ein pflichtgemäßes Ermessen eingeräumt ist (vgl BSG vom 20.3.2013 - B 6 KA 19/12 R = SozR 4-2500 § 103 Nr 12).
2. Aus der Formulierung "bestmögliche Versorgung der Versicherten" in § 26 Abs 4 Nr 3 sechster Spiegelstrich Bedarfsplanungsrichtlinie ergibt sich, dass auch für die spezialisierte fachärztliche Versorgung trotz der Großräumigkeit des Planungsbereichs (§ 13 Abs 1 Nr 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie = Raumordnungsregion) zumindest indirekt eine möglichst flächendeckende und wohnortnahe Versorgung bei gleichmäßiger Verteilung der Vertragsarztsitze anzustreben ist (vgl SG Marburg vom 16.3.2016 - S 12 KA 170/15). Die Geltung einer wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung führt aber nicht dazu, dass "exzentrische" Lagen besonders berücksichtigt werden müssten.
3. Eine sonstige Beschäftigung steht einer vertragsärztlichen Tätigkeit nunmehr dann entgegen, wenn sie zur Ungeeignetheit der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit im Sinne von § 20 Abs 1 Ärzte-ZV führt. Bei der Begrifflichkeit "Ungeeignetheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einzelfallbezogen auszulegen ist. In diesem Zusammenhang wird zu differenzieren sein zwischen den jeweiligen Fachgebieten. Daneben wird es auch auf die berufliche Stellung im Rahmen der sonstigen Beschäftigung ankommen.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 10.11.2016 ( Az. ) wird insoweit aufgehoben, als Herr Dr. C. zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen und der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen worden ist.
II. Der Beklagte wird verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen den Beschluss des Berufungsausschusses vom 06.10.2016 nach Entsperrung für e i n e n Vertragsarztsitz (Radiologie) durch den Landesausschuss (Beschluss vom 10.06.2013). Der Beigeladene zu 8 wurde als für den Vertragsarztsitz in C-Stadt, Planungsbereich Raumordnungsregion Oberland zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen (Bedarfsplanungsfaktor 1,0). Dagegen wurden die Anträge der übrigen Bewerber, MVZ E-Stadt, Dr. F. (C-Stadt ) und der des Klägers (G-Stadt)) zurückgewiesen.
Vorausgegangen waren der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 23.10.2013 (Beschluss zu Gunsten des Bewerbers Dr. C.= Beigeladener zu 8.). Dem folgte der Antrag des Beigeladenen zu 8 auf Sofortvollzug, der mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 10.03.2014 (Aktenzeichen S 38 KA 130/14 ER) abgelehnt wurde. Mit Beschluss des Beklagten vom 26.06.2014 hob dieser die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 23.10.2013 auf und ließ den Bewerber Dr. F. zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu. Die Anträge der übrigen Bewerber wurden abgelehnt, weshalb diese Klagen zum Sozialgericht München einlegten. Hierüber wurde mit Urteilen vom 27.04.2016 (Az. S 38 KA 1388/14, S 38 KA 1381/14 und S 38 KA 1377/14) entschieden. Im Ergebnis vertrat das Sozialgericht München die Auffassung, die Auswahlentscheidung sei insgesamt neu zu treffen. In dem nachfolgenden, nunmehr angefochtenen Beschluss des Beklagten vom 06.10.2016 kam dieser zur Auffassung, die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit sei bei allen Bewerbern gleichermaßen zu bewerten. Der Gesichtspunkt der Versorgungskontinuität spreche für Frau Dr. H. (MVZ E-Stadt ) und Herrn Dr. F. (C-Stadt ). Maßgeblich komme es aber unter dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Versorgung der Patienten auf den Standort an. Hier sei festzustellen, dass der Standort G-Stadt am schlechtesten erreichbar sei und nur für eine geringe Anzahl von Patienten eine Verbesserung darstelle. Insgesamt sei daher der Standort G-Stadt nicht geeignet. Der Beigeladene zu 8 (Standort C-Stadt ) habe glaubhaft versichert, es gebe eine Vielzahl von Anrufen von Patienten, die an ihn herangetreten seien und bei denen Kassenkostenerstattung bei den Krankenkassen beantragt worden sei. Andererseits spreche für den Kläger der Gesichtspunkt der Behandlung von am T-See ansässigen Patienten zur Abklärung. Der Kläger sei programmverantwortlicher Arzt (PVA) für die Screening-Einheit J. Diesem Gesichtspunkt der Verbesserung der Versorgung stünden Erreichbarkeitsdefizite für Patienten aus dem Norden der Screening-Einheit gegenüber. Insgesamt sei am eh...