Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei vorhandenem verwertbaren Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB 2 derjenige, der seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann.

2. Ein selbstgenutztes Hausgrundstück ist kein nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB 2 privilegiertes Vermögen, wenn die angemessene Wohnungsgröße überschritten wird. Dabei ist auf die gesamte zur Verfügung stehende Wohnfläche abzustellen, solange eine Teilung nicht vorliegt.

3. Ist eine Verwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich und stellt diese auch keine besondere Härte dar, so ist ein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.08.2019; Aktenzeichen B 14 AS 256/19 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss anstelle eines Darlehens für die Zeit vom 17.05.2006 bis 28.02.2007.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1957 geborene Klägerin zu 2) sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in der Gemarkung H ... Das Grundstück hat eine Größe von 597 qm. Das Haus hat eine Wohnfläche von 167 qm. Die selbst genutzte Wohnung der Kläger ist 117 qm groß. Die 50 qm große Einliegerwohnung im Dachgeschoss ist vermietet.

Nach Einschätzung des Gutachterausschusses für den Kreis C. von Oktober 2005 beläuft sich der Verkehrswert der Gesamtimmobilie auf ca. 187.000,- Euro (220.430,- Euro abzüglich 15 % unter Berücksichtigung des Risikos der Vermarktbarkeit). Dem steht im Juni 2005 nach Aktenlage eine Belastung von insgesamt 109.920,74 Euro gegenüber. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Darlehen der E.-Bank in Höhe von 79.243,22 Euro, einem Darlehen von H. und N. C. in Höhe von 20.451,68 Euro und einem Darlehen von C.C. in Höhe von 10.225,84 Euro.

Das Haus wurde erworben Mitte März 1996 zu einem Preis von 380.000,- DM (194.290,91 Euro).

Vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 erhielten die Kläger Alg II als Zuschuss.

Für die Zeit vom 01.04.2005 bis 31.03.2006 wurde Alg II als Darlehen geleistet. Eine Klage auf die Gewährung von Alg II als Zuschuss anstelle des Darlehens vor dem Sozialgericht Münster (S 16 AS 162/05) blieb erfolglos. Auch die Berufung vor dem LSG Nordrhein-Westfalen (L 12 AS 42/07) blieb insoweit erfolglos. Die Revision wurde vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 22.03.2012 (B 4 AS 99/11 R) zurückgewiesen. Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.2014 – 1 BvR 1608/12).

Ein Überprüfungsantrag, mit dem die Kläger Alg II für die Zeit vom 01.04.2005 bis 16.05.2006 als Zuschuss begehrten, blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 10.09.2015 und Widerspruchsbescheid vom 21.04.2016). Hiergegen wurde Klage erhoben (S 8 AS 299/16).

Die Kläger beantragten am 17.05.2006 die Weiterbewilligung von Leistungen. Nachdem im August 2006 eine Grundschuld in Höhe von 12.000,- Euro zugunsten der Stadt H. eingetragen wurde, bewilligte die Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 04.09.2006 Alg II für die Zeit vom 07.08.2006 bis 31.01.2007 als Darlehen. Die Darlehenshöhe belief sich für August auf 842,64 Euro und ab September auf 973,59 Euro. Da verwertbares Vermögen vorhanden sei komme nur eine darlehensweise Leistungsbewilligung in Betracht. Die Miete für die Einliegerwohnung wurde nicht als Einkommen berücksichtigt sondern als Reduzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Anfang September 2006 forderte die Beklagte die Kläger unter Fristsetzung bis zum 31.01.2007 auf, die Kosten für Unterkunft und Heizung auf das angemessene Maß zu senken.

Mit Änderungsbescheid vom 28.09.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern ein Darlehen in Höhe von monatlich 1086,59 Euro für die Zeit von September 2006 bis Januar 2007.

Gegen diese beiden Bescheide legten die Kläger Widerspruch ein. Sie meinten, einen Anspruch auf zuschussweise Gewährung von Alg II zu haben. Die Einliegerwohnung sei nicht isoliert zu veräußern. Eine Veräußerung der selbst bewohnten Immobilie könne nicht verlangt werden.

Mit Änderungsbescheiden vom 07.11.2006 und 27.11.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern für November 2006 Alg II in Höhe von 1573,22 Euro und für Dezember 2006 und Januar 2007 in Höhe von 1083,22 Euro. Die Bewilligung erfolgte weiterhin als Darlehen.

Mit Bescheid vom 31.07.2007 gewährte die Beklagte den Klägern für Februar 2007 ein Darlehen in Höhe von 1142,34 Euro. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Sie vertraten die Auffassung, einen Anspruch auf eine zuschussweise Gewährung von Alg II zu haben. Die Beklagte habe nicht die Angemessenheit des Wohnraums berücksichtigt. Zudem seien die Mieteinkünfte nicht mehr von den Unterkunftskosten abgezogen und ...

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