Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Einbeziehung von Folgebescheiden nach § 86 SGG. Verfahrensökonomie. keine selbständige Anfechtbarkeit einer mit einem Aufhebungsbescheid verbundenen Erstattungsverfügung. Auslegung von § 86 SGG. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 31/16 R
Orientierungssatz
1. § 86 SGG bezweckt eine umfassende Erledigung des Streitstoffs unter Einbeziehung aller sich mit dem Ausgangsbescheid überschneidender Folgebescheide. Solche verfahrensökonomischen Gründe liegen gerade auch im Interesse des betroffenen Bürgers, da er nicht bei jedem Änderungsbescheid zwecks Fristwahrung ggf erneut Widerspruch einlegen muss.
2. Die hier relevanten Bescheide treffen aufeinander aufbauend eine Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Leistungen und ändern damit die ursprüngliche Bewilligung ab. Vor diesem Hintergrund ist nicht plausibel, warum bei der Frage der selbständigen Anfechtbarkeit zwischen einer Aufhebungs- und Erstattungsverfügung, die zudem miteinander in engem Zusammenhang stehen, unterschieden werden sollte (entgegen SG Dresden vom 18.5.2015 - S 48 AS 1942/13).
3. § 86 SGG ist trotz Abweichungen im Wortlaut genauso wie § 96 SGG auszulegen (Anschluss an LSG Halle vom 24.6.2014 - L 4 AS 55/12).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der unter Betreuung seiner Prozessbevollmächtigten stehende Kläger wendet sich gegen einen mit einer Erstattungsforderung verbundenen Änderungsbescheid.
Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 30. September 2011 für Oktober 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i.H.v. 66,06 € und für den Folgezeitraum November 2011 bis September 2012 i.H.v. 221,91 €/mtl. Letztere wurden mit Änderungsbescheid vom 25. November 2011 ab Januar 2012 auf 233,61 €/mtl. erhöht. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 5. September 2012 reduzierte die Beklagte diese Leistungen wegen zwischenzeitlicher Renten- und Mietänderung für die Monate Juli/August 2012 auf 222,57 €/mtl. und für September 2012 auf 198,57 €. Im gleichen Bescheid machte sie die entsprechende Differenz von 57,12 € als Erstattungsbetrag geltend und kündigte deren Einbehalt von der laufenden Zahlung im Monat Oktober 2012 an. Der Bescheid enthielt am Ende den Hinweis, dass er gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens werde. Die Beklagte wies den hiergegen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2012 unter Darlegung der aus ihrer Sicht maßgebenden Sach- und Rechtslage als unzulässig zurück.
Am 2. Januar 2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Neubrandenburg Klage erhoben. Er macht u.a. geltend, dass der Änderungsbescheid vom 5. September 2012 in seinem Erstattungsteil kein Gegenstandsbescheid geworden sein könne, da zwar die Aufhebung die Bewilligung abändere, nicht jedoch die Erstattung die Bewilligung. Insoweit entfalte die Rückforderungsverfügung eine ganz andere Regelungswirkung. § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei von seinem eindeutigen Wortlaut her weder individuell auslegbar noch ermögliche er eine Auslegung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung.
Er beantragt,
den Aufhebungs- , (Änderungs-) und Erstattungsbescheid vom 5. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2012 aufzuheben, soweit er rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Begehren des Klägers entgegen und verweist hierzu zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Nach erfolgter Anrechnung des Gesamtguthabens aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2011 wurden die o.a. SGB XII-Leistungen für August 2012 von vorher 222,57 € auf 42,57 € und für September 2012 von vorher 198,57 € auf 18,57 € weiter reduziert (Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2012). Der gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 30. September 2011 am 2. November 2011 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Auf Antrag der Beteiligten hat das Gericht hinsichtlich der dagegen erhobenen Klage - S 6 SO 28/13 - am 28. April 2016 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten und auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 28. April 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg, da der angegriffene Bescheid vom 5. September 2012 nach § 86 SGG in ein bereits laufendes Widerspruchsverfahren einzubeziehen war; der dazugehörende abschließende Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 ist im Klageverfahren S 6 SO 28/13 streitgegenständlich. Danach hat die Beklagte den W...