Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistungen. Grundleistungen. Anspruchseinschränkung. selbst zu vertretende Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Fortsetzung der Anspruchseinschränkung. Ermessen der Behörde hinsichtlich der Festlegung eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten
Orientierungssatz
Während die Entscheidung darüber, ob die Anspruchseinschränkungen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen fortzusetzen sind, eine im gerichtlichen Verfahren uneingeschränkt überprüfbare Rechtsentscheidung ohne Beurteilungsspielraum für die Bewilligungsbehörde ist, liegt die Entscheidung darüber, für welchen Zeitraum bis zu sechs Monaten die Befristung fortzusetzen ist, im Ermessen der Bewilligungsbehörde.
Tenor
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 5. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von monatlich 330 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller, der gesetzlich ausreisepflichtig ist und im laufenden Leistungsbezug nach § 1a Abs. 1, 3 S. 1 AsylbLG bei dem Antragsgegner steht, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben t Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er im Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Antrag auf die Anerkennung als Asylberechtigter. Im August 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit bestandskräftig gewordenem Bescheid den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab, forderte ihn zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf und drohte seine Abschiebung in die Republik T an. Mangels Vorliegen eines gültigen Heimreisedokuments ist die Abschiebung derzeit nach § 60a Abs. 2 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausgesetzt.
Seit Januar 2018 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller zunächst ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Ab Mai 2019 gewährte der Antragsgegner ihm unter Bezugnahme auf eine mangelnde Mitwirkung des Antragstellers bei der Passbeschaffung nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege („gekürzte Leistungen“) nach § 1a Abs. 3 AsylbLG in Höhe von monatlich 166 EUR (Bescheid vom 5. April 2019). Von November bis Dezember 2019 und anschließend von Januar bis Oktober 2020 gewährte er ihm weiter nur gekürzte Leistungen in Höhe von monatlich 164 EUR bzw. 167 EUR (Bescheide vom 26. November 2020).
Nach Aktenlage wurde der Antragsteller mehrfach schriftlich und mündlich aufgefordert, sich um einen Reisepass bzw. ein Heimreisedokument oder um sonstige Identifikationsdokumente zu bemühen (vgl. etwa Schreiben vom 18. April 2019, Bl. 130 der Ausländerakte). Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 wurde der Antragsteller dazu aufgefordert, dem Antragsgegner ein Dokument zur Bestätigung seiner Identität vorzulegen (z.B. Reisepass, Geburtsurkunde, ID-Karte, Heiratsurkunde, Führerschein). Für den Fall, dass er diese Dokumente nicht habe, sei er verpflichtet, sich an die Botschaft oder an Verwandte, Bekannte oder andere Personen (Rechtsanwälte) in seinem Herkunftsland zu wenden. Er wurde darüber belehrt, dass die Einleitung eines Strafverfahrens nach dem AufenthG vorbehalten werde, wenn er den sich aus dem AufenthG ergebenden Pflichten nicht bis zum 24. Juli 2020 nachkomme. Am 25. November 2020 sprach der Antragsteller bei der Botschaft der Republik T vor. Diese stellte ihm eine Bescheinigung mit folgendem Inhalt aus: „Herr A, O (..), hat sich heute (..) in unseren Büros in Berlin vorgestellt. Da er jedoch kein (..) Dokument (Geburtsurkunde, Reisepass usw.) besitzt, das seine t Identität belegt, kann ihm die Botschaft kein entsprechendes Dokument ausstellen.“ Mit Schreiben vom 26. November 2020 kündigte der Antragsgegner an, mangels Nachweises ausreichender Bemühungen des Antragstellers zur Erlangung von identitätsbelegenden Dokumenten weiterhin nur gekürzte Leistungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG zu gewähren. Ihm wurde bis zum 10. Dezember 2020 Gelegenheit gegeben, sich zu dem von dem Antragsgegner vorgetragenen Sachverhalt zu äußern. Eine Stellungnahme gab der Antragsteller nicht ab. Von November bis Dezember 2020 gewährte der Antragsgegner ihm weiterhin nur gekürzte Leistungen in Höhe von monatlich 167 EUR (Bescheid vom 10. Dezember 2020). Auch für die Zeit von Januar bis April 2021 wurden dem Antragsteller nur gekürzte Leistungen in Höhe von monatlich 173 EUR gewährt (Bescheid vom 17. Dezember 2020).
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 wies die Ausländerbehörde den Antragsteller darauf hin, dass das Schreiben der Botschaft vom 25. November 2020 allein nicht ausreichend sei, um seine Bemühungen zur Passersatzbeschaffung nachzuweisen. Er werde nunmeh...