Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Sozialdatenschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Vermittlungsvorschlag. Bekanntgabe Name und Anschrift des Leistungsempfängers an potentiellen Arbeitgeber. Überprüfung der Bewerbung durch Nachfrage beim Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bekanntgabe des Namens und der Anschrift eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung an einen potentiellen Arbeitgeber stellt ein zulässiges Verarbeiten von Sozialdaten im Sinne des Übermittelns dar.
2. Die Anfrage bei einem potentiellen Arbeitgeber, ob sich der vorgeschlagene Bewerber beworben hat, stellt ein zulässiges Verarbeiten von Sozialdaten im Sinne des Erhebens dar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind noch die Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Daten an einen potentiellen Arbeitgeber, die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Daten bei einem potentiellen Arbeitgeber sowie die Rechtmäßigkeit eines Vermittlungsvorschlags streitig.
Die Klägerin stand beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ging nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung keiner Erwerbstätigkeit nach. Ab 31. Januar 2020 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 23. März 2020 teilte sie dem Beklagten mit, keinen Antrag auf Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) gestellt zu haben, da Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) erbracht werden müssten.
Mit Schreiben vom 17. April 2020 unterbreitete der Beklagte der Klägerin einen Vermittlungsvorschlag als Helferin - Reinigung bei dem Zeitarbeitsunternehmen „R Deutschland“ (Firma ≪Fa.≫ R) in N zu 40 Stunden/Woche. Dabei forderte er sie auf, sich dort zu bewerben und ihm das Ergebnis ihrer Bemühungen mitzuteilen. Er wies sie darauf hin, dass das Zeitarbeitsunternehmen befugt sei, der Bundesagentur für Arbeit (BA) das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens mitzuteilen. Wegen des weiteren Inhalts des Vermittlungsvorschlags, insbesondere wegen der dort erteilten Rechtsfolgenbelehrung, wird auf Blatt (Bl.) 5 fortfolgende (ff.) der Gerichtsakte verwiesen. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag schlug er dem Zeitarbeitsunternehmen die Klägerin als Bewerberin vor. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 16 folgende (f.) der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Schreiben eines Bevollmächtigten der Klägerin vom 25. April 2020 bat die Klägerin den Beklagten um Übersendung von Kopien aller Schriftstücke, welche der Beklagte an das Zeitarbeitsunternehmen übermittelt habe und eine Kopie der seitens des Zeitarbeitsunternehmens erteilten Auskünfte. Gleichzeitig forderte sie eine Stellungnahme zur Missachtung der §§ 67a Absatz (Abs.) 2 Satz 1, 67b Abs. 1 Satz 1 und 67d Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Ferner monierte sie insbesondere, dass der Beklagte bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht beachtet habe, dass Schulen Covid 19-bedingt geschlossen seien und sie alleinerziehend mit vier Kindern, davon zwei unter 14 Jahren, sei. Für die Beantwortung setzte sie eine Frist von einem Monat. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 10 f. der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2020 teilte die Krankenkasse der Klägerin dem Beklagten mit, dass für die Zeit vom 30. März 2020 bis laufend ein Krankengeldanspruch bestehe.
Am 12. August 2020 teilte das Zeitarbeitsunternehmen dem Beklagten über das Portal Jobbörse, einer online-Plattform der BA, mit, dass sich die Klägerin nicht beworben habe.
Am 28. August 2020 hat die Klägerin Klage erhoben und trägt zu deren Begründung insbesondere vor: Der Beklagte habe das Zeitarbeitsunternehmen in rechtswidriger Weise über ihren Sozialleistungsbezug informiert und bereits vor dem Zugang des Vermittlungsvorschlags bei ihr kontaktiert. Er habe gegen den Ersterhebungsgrundsatz verstoßen (Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 25. Januar 2012, Aktenzeichen ≪Az.≫ B 14 AS 65/11 R) und die Informationspflicht nach Art. 14 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung ≪DSGVO≫) missachtet. Auf das Auskunftsersuchen habe er außergerichtlich nicht reagiert. Der Vermittlungsvorschlag trotz Bezugs von Krankengeld und mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden für eine alleinerziehende Mutter sei rechtswidrig. Es sei jederzeit möglich, dass sie wieder in den Hartz IV-Bezug rutsche.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die Übermittlun...