Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Akteneinsicht. Übersendung der Leistungsakten an den Prozessbevollmächtigten. Ermessensentscheidung. kein Rechtsanspruch. wiederholt stereotype Klagebegründungen
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 120 SGG steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, einem Rechtsanwalt die Akten zur Einsichtnahme in dessen Kanzlei zu übersenden. Ein Rechtsanspruch auf Übersendung der Akten ist nicht gegeben
2. Wenn und soweit den Klägern, deren zehn anhängige Klageverfahren von wiederholten Stereotypen geprägt sind, bereits Akteneinsicht gewährt wurde, ist eine weitere Sachaufklärung durch eine wiederholte Übersendung der nämlichen Verwaltungsakten nicht zu gewärtigen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010.
Die Klägerin bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2010 gewährte ihr die Beklagte Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. Oktober 2010 in Höhe von monatlich ca. 528 Euro. Den hiergegen gerichteten Überprüfungsantrag nach näherer Maßgabe des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2010 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 1. September 2010 Widerspruch und beantragte u.a. die Übersendung der Leistungsakten an die Kanzlei des Bevollmächtigten. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; in den Gründen des Widerspruchsbescheides führte sie u.a. aus, daß eine --im Ermessen der Beklagten stehende-- Übersendung der Akten in die Kanzlei des Bevollmächtigten abgelehnt werde, weil in Ansehung der Vielzahl von Verfahren “die Übersendung zahlreicher Akten zu einer Lähmung und damit (zu einem) Stillstand ... führen (würde). Arbeitsabläufe würden wegen fehlender Akten ins Stocken geraten und die Verfahrensdauer (würde) sich insgesamt noch weiter verlängern ...„. Die Beklagte verwies auf die bestehende Möglichkeit, während der Öffnungszeiten Einsichtnahme in die Leistungsakten an Amtsstelle nehmen zu können.
Mit ihrer unter dem 20. Oktober 2010 beim Sozialgericht Nordhausen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Rechtsansicht, daß die Akteneinsicht verweigert wurde, weil die Beklagte über den Widerspruch abschließend entschieden habe, ohne die Leistungsakten an die Kanzleianschrift zu übersenden. Zudem habe die Beklagte ihr Ermessen nicht ausgeübt, weil im Widerspruchsbescheid die wesentlichen Gründe der Ermessensentscheidung nicht erläutert worden seien. Bei einer ermessensfehlerfreien Prüfung hätte die Beklagte erkennen müssen, daß die Leistungsakten an den Bevollmächtigten zu übersenden seien. Denn der Prozeßbevollmächtigte “pflegt aufgrund einer erheblichen Arbeitsbelastung in der Regel bis weit in die Nachtstunden zu arbeiten. Es ist nicht nachvollziehbar dass die Beklagte tatsächlich zur Akteneinsicht in den Nachtstunden Zutritt gewährt und einen abgetrennten Raum nebst technischer Einrichtung zum scannen und kostenfreien kopieren sowie hierfür geeignetes Personal zur Verfügung stellt.„
Die Klägerin beantragt,
die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 dahingehend abzuändern, daß die Beklagte die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen der Klägerin vollumfänglich zu erstatten hat und die Zuziehung der Bevollmächtigten für notwendig erachtet wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte sowie den in den Akten befindlichen Schriftwechsel insgesamt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Widerspruchsbescheid vom 22. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Denn die Beklagte hat eine Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren nicht abgelehnt. Hierzu ist --anknüpfend an den, die nämliche Rechtsfrage betreffenden, Kammerbeschluß vom 14. Juni 2011, Az. S 12 AS 4647/09-- wie folgt auszuführen:
Bei dem Recht auf Akteneinsicht respektive bei der Aktenübersendung handelt es sich um eine Ausgestaltung des Grundrechts auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit § 62 Sozialgerichtsgesetz -SGG- (vgl. ausführlich Pawlita, Die Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts im gerichtlichen und behördlichen Verfahren durch Überlassung der Akten in die Rechtsanwaltskanzlei, AnwBl. 1986, 1 ff., 7).
Im sozialgerichtlichen Verfahren haben die Beteiligten ein Recht auf Einsicht in die Akten nach näherer Maßgabe des § 120 SGG. Hiernach steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, einem Rechtsanwalt die Akten zur Einsichtnahme in dessen Kanzlei zu übersenden. Ein Rechtsanspruch auf Übersendung der Akten ist nicht gegeben (Keller in Meyer/ladewi...