Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Voraussetzung der Aufnahme eines Menschen mit Behinderung in eine Werkstatt für Behinderte im Eingangsverfahren zur Feststellung von Teilhabeleistungen
Orientierungssatz
1. Für die Aufnahme eines Menschen mit Behinderung in eine Werkstatt für Behinderte als Leistungen im Eingangsverfahren zur Feststellung der Geeignetheit einer späteren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bedarf es noch keiner positiven Prognose zur künftigen wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Arbeitsleistung.
2. Einzelfall zur Bewertung der Erwerbsfähigkeit eines Menschen mit Behinderung und der Anforderungen an den sachgerechten Vortrag zur Entgegnung eines Sachverständigengutachtens durch eine Prozesspartei.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2018 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2018 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Aufnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen im Eingangsverfahren zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Streitig sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die am ...1970 geborene Klägerin beantragte am 16.02.2018 bei der Beklagten eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).
Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei und lehnte mit Bescheid vom 16.03.2018 den Antrag der Klägerin ab. Dagegen legte die Klägerin am 13.04.2018 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2018 wurde der Widerspruch nach Einholung eines weiteren Befundberichtes auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet als unbegründet zurückgewiesen, da nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen für mindestens 6 Stunden täglich vorliege. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könnten nur für Versicherte erbracht werden, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden könnten.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.07.2018 Klage erhoben. Sie führt an, dass aufgrund der Gesamtheit der diagnostizierten Erkrankungen eine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr gegeben sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2018 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen im Eingangsverfahren zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihre Bescheide und nimmt inhaltlich Bezug auf die sozialmedizinische Stellungnahme des beratungsärztlichen Dienstes. Insbesondere sei nicht klar, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der letzten Rehamaßnahme verschlechtert habe.
Das Gericht hat Befundberichte von Dr. K., Dipl.-med. S. und der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten L. beigezogen. Ferner wurde ein psychiatrisch-psychosomatisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt.
Nach dem Gutachten von Dr. B. vom 11.01.2019 bestehen folgende Gesundheitsstörungen:
Symptomdiagnosen:
-Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradig (ICD 10: F33.0),
-Persönlichkeits- oder/und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit/Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns, perinatale Schädigung (ICD 10: 07.8)
-Kognitive Einschränkungen durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, Störung exekutiver Funktionen; (ICD 10: F07.8),
-Essstörung (Fressattacken, 125 kg); (ICD 10: FF50.4).
Strukturdiagnose:
-Selbstunsichere, intelligenzschwache Persönlichkeit mit aufgehobener individueller Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit der Struktur für den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Körperliche Diagnosen im Übrigen:
-Arterielle Hypertonie, seit 15 Jahren medikamentös eingestellt
-Adipositas per magna (125 kg Körpergewicht bei 157 cm Körpergröße)
-Rezidivierende Alopecia areata
-Kobalt- und Nickelallergie.
Die Klägerin könne nur noch Arbeiten unter 3 Stunden täglich in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, Hebe- und Bückarbeiten und nicht auf Leitern und Gerüst verrichten. Akkord- und Nachtarbeit seien ausgeschlossen. Die Durchhaltefähigkeit, ein durchgehendes leidensgerechtes Leistungsniveau zu erbringen, vergleichbar mit einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sei nicht mehr möglich. Aufgrund der selbstunsicheren Persönlichkeit und den kognitiven affektiven Persönlichkeits- und Verhaltensauffälligkeiten könne sich die Klägerin nicht an wechselnde Situationen anpassen. Sie sei sowohl emotional als auch kognitiv mittel- bis schwergradig eingeschränkt. Die erworbene Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit mit hirnorganischen Beeinträchtigungen und Funktionsstörungen (Aufmerksamkeit, Konzentration) und der exekutiven Funktionen f...